Von Plattenräubern zum Christkindlmarkt

■ Wie eine englische Bande namens Reef eine Postkutsche voll alter Popplatten überfiel

Im Wirtshaus zu Spessart sitzen vier nette Jungs mit der britischen 360-Tage-Regenhaut und freuen sich tot. Gerade haben sie eine Postkutsche voll mit Rockalben der 60er und 70er Jahre überfallen und nun bestellen sie einen Met nach dem anderen und lassen die Nadel des knallroten, batteriebetriebenen Party-Plattenspielers über die Scheiben rutschen.

Led Zeppelin gefällt ihnen besonders gut, aber auch die Kinks, Ten Years After und Jefferson Airplane finden ihr Ohr. Überhaupt stellen sie fest, daß zu der Zeit, als Rock noch mehr mit Blues als mit Pop zu tun hatte, vieles besser war. Jimmy Page ist doch noch ein richtiges Genie und Alvin Lees Ten-Years-After-Intro von „I'm Going Home“ist echt unschlagbar. Wenn man sich da die Kollegen von Oasis, Blur oder Pulp anhört, dann muß man doch feststellen, daß der wahre Rock-Künstler längst ausgestorben ist.

Überdüngt von derartigen Eindrücken und viel Honigwein schwanken unsere vier englischen Schallplattendiebe in die Scheune zu den Kühen und stöpseln ihre Gitarren in die Melkmaschinen. Erst hört sich das alles noch ein wenig holperig an, wenn Gitarrist Kenwyn House wie Jimmy Page, oder Skip Spence (Doobie Bros.) zu spielen versucht. Aber da gibt es ja auch noch die Stooges zu denen man sich auch mit dem kleinen Rocklatinum noch retten kann.

Bald ist die Stimmung großartig und da stört es auch nicht so richtig, daß Sänger Gary Stringer sich nicht recht entscheiden kann, ob er sich lieber als Robert-Plant-Eleve mit Kinderversen blamiert oder doch lieber die authentische Heroin-Version von Pearl Jams Eddie Vedder gibt.

Schließlich reitet die schöne Sony-Fee vorbei, hört Reef proben und schenkt Aufmerksamkeit, einen Plattenvertrag und eine Karriere. Jetzt werden unsere Posträuber gefeiert, haben gerade ihre zweite Platte Glow auf dem Christkindlmarkt plaziert und spielen im Knust. Doch irgendwie fehlt diesem Märchen das dicke Ende in Form des rettenden, guten Geschmacks. Oder?

Till Briegleb Do, 20. März, 21 Uhr, Knust