Betr.: Gebäude-Aufnahmen von Monica Bonvicini

Man trennt sich nur schwer von altbewährten Bildern. Immer noch wird die Großstadt gern mit einer Landschaft verglichen, in der sich Wolkenkratzer entlang der Skyline aufrichten. Dabei gleicht die moderne Architektur eher einem Geflecht oder Gewebe aus lauter planen Flächen, das am Zeichentisch entsteht.

Bei ihren Gebäude-Aufnahmen geht die italienische Fotografin Monica Bonvicini tatsächlich von Zeichnungen aus, etwa den Entwürfen Le Corbusiers oder Frank Lloyd Wrights. So wie sich auf deren Skizzen der Wechsel zwischen Innen- und Außenräumen mit einer simplen Schraffur andeutet, so sehr ist zeitgenössische Architektur überhaupt vom Schein der sie umhüllenden Oberfläche geprägt.

Alles soll transparent sein in der Folge des „international style“: die Bautechnik, das Material, die Ästhetik, Stahl und Glas, Beton und wieder Stahl.

Für Bonvicini beruht die „Solidität der Architektur“ auf der Institutionalisierung dieser abstrakten Formensprache; sie zeigt sich im Diktat der stets und weltweit gleich gestalteten Fassade. Die Unterschiede zwischen New York, Frankfurt, Mailand und Tokio verschwimmen.

Die Fotos der 1965 in Venedig geborenen Künstlerin greifen diese Bild gewordene Form auf, indem sie die konkreten Gebäude wieder auf unterschiedlich schattierte Flächen reduzieren, die sich nun beliebig kontrastieren, brechen oder spiegeln lassen. Jedes Maß und alle Räumlichkeit verschwindet, aus dem einst „verbrecherischen“ Ornament ist nun das Verhängnis der starr geometrisch angelegten Serie geworden, in der ganze Fensterfronten nur mehr ein Netz aus Rasterpunkten bilden.

Die fotografische Perspektive, die Monica Bonvicini für ihre Arbeiten gewählt hat, verhält sich zum Standpunkt der Architektur wie eine Parodie des Erhabenen – als hätte Gulliver Manhattan betrachtet und nur M.C. Eschers illusionistische Trickkästchen gefunden. Zu viel Baukunst macht schwindelig. hf