Richtig gut böse

■ Eine gestrenge Diseuse: Martina Brandl mit ihrem Programm "Kommen müssen Sie selbst" im Cafe Theater Schalotte

„Andere machen Kunst, ich bin bestenfalls trotzig.“ Auch mit ihrem zweiten Programm „Kommen müssen Sie selbst“ arbeitet Martina Brandl hartnäckig an ihrem Image der strengsten Diseuse Berlins. Das muß das Publikum gleich zu Anfang spüren und wird erst einmal heftig zurechtgewiesen. „Damit Sie Bescheid wissen: Ich bin die Künstlerin, Sie sind das Publikum“, und das hat gefälligst an den dafür vorgesehenen Stellen zu klatschen.

Die Haare wild aufgetürmt, das schwarze Kleid lang und eng, die Wimpern kräftig getuscht, macht Martina Brandl auch als unerbittliche Domina des Gesangs einiges her (am Piano begleitet von Martin Rosengarten). Singen kann sie eigentlich nicht wirklich gut (und das hat sie mit einigen anderen Diseusen gemein). Vornehmlich, wenn's in die Höhe soll, rutscht der Ton weg, scheppert und krächzt dafür ein wenig. Bei einer Show, die erfreulich viel Komik und Wortwitz bietet, macht das fast überhaupt nichts. Unverzeihlich aber, daß sie sich mit ihrer brüchigen Stimme an Bette Midlers todtraurige Ballade „I Think It's Going To Rain Today“ wagt (pardon, aber hier schreibt ein Midler-Fan).

Solche besinnlich-poetischen Momente mit fremden oder von Michael Binder für sie eigens geschriebenen Songs passen auch gar nicht zum ansonsten satirisch-kabarettistischen Programm. Vor allem, weil Brandl damit zu schnell ihre wunderbar-übellaunige Kunstfigur wieder verläßt und den roten Faden aus den Augen verliert, der ihre Liedparodien (von Maffay bis „Carmen“) mit allerlei Bösartigkeiten zu Lastern und Lüsten des Alltags verbindet.

Wenn sie nämlich richtig böse wird, dann ist Martina Brandl auch richtig gut. Nicht nur, wenn sie heimlichsten Rachegelüsten gegenüber verflossenen Liebhabern unzensiert Ausdruck verleiht. Übel zieht sie über ihren eigenen Berufszweig her, exekutiert das französische Piaf/Brel-L'amour- L'amour-Chanson, und hebt zu guter Letzt auch noch zu einem grandiosen Potpourri-Zitaten-Haßlied auf all jene Chansonetten dieser Stadt an, die mit den ewiggleichen Hollaender-Kamellen und ausgelutschten Gesten 70 Jahre alte Frivolitäten an amüsierwillige Busladungen verkaufen.

„Ich hasse die zwanziger Jahre!“ sagt Martina Brandl zum Schluß und zieht, wie so oft an diesem Abend, mit wildem, durchdringendem Blick die linke Augenbraue hoch. Mit dieser Diseuse ist nicht zu spaßen. Wann gelacht wird, bestimmt sie selbst, und das hat sie auch bestens im Griff. Axel Schock

Bis 5.4., Mi.–Sa., 20.30 Uhr, Café Theater Schalotte, Behaimstr. 22