Bosnier können hoffen

NRW stoppt Rückführung bosnischer Flüchtlinge. Berlin aber will pünktlich Flugzeuge gen Sarajevo starten  ■ Von Ute Scheub

Berlin (taz) – Nordrhein-Westfalen hat die sogenannte zweite Phase der Rückführung bosnischer Kriegsflüchtlinge ausgesetzt. In einem internen Papier, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, ordnete das Innenministerium schon am 10. März an, daß bosnische Familien sowie Flüchtlinge in gemischtethnischen Ehen sowie Traumatisierte mindestens bis September bleiben dürfen.

Bis zum 6. Juni seien „keine Ordnungsverfügungen mit Ausreisefristen und Abschiebeandrohungen zu erlassen“. Weil die Betroffenen mindestens drei Monate zuvor über einen Abschiebetermin informiert werden müssen, kann ein Großteil der 71.000 Bosnier in NRW bis zum Frühherbst in der Bundesrepublik bleiben.

Die Landesregierung reagierte damit auf bürokratische Probleme bei der Rückführung der Flüchtlinge und auf die desolate Situation in Bosnien. Nach einem vertraulichen Lagebericht des Auswärtigen Amtes würde die Rückkehr von Flüchtlingen in großer Zahl das Land destabilisieren. Nordrhein- Westfalens Innenminister Franz- Josef Kniola (SPD) geht in dem Erlaß davon aus, daß auf der Innenministerkonferenz zum Thema Bosnien am 6. Juni neue Richtlinien zur Rückführung beschlossen werden müssen.

Die Staatssekretäre der Landesinnenministerien konferieren heute in München über die Flüchtlingsrückführung und wollen Empfehlungen für die Ministerkonferenz ausarbeiten. 320.000 bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge leben noch in der Bundesrepublik.

Ungeachtet dessen soll nach Informationen der taz am Samstag in Berlin eine Maschine mit aus Hamburg abgeschobenen bosnischen Flüchtlingen starten; am Dienstag um 10.25 Uhr soll ihr ein Flugzeug vom Flughafen München nach Sarajevo folgen. Nach Informationen der Grünen sollen die Flüchtlinge, Alleinstehende und kinderlose Ehepaare, bis dahin in Bayern „eingesammelt“ werden.

Eine erste Sammelabschiebung wurde bereits am 4. Dezember durchgeführt. Elisabeth Köhler, Fraktionssprecherin der Landtagsgrünen in München, forderte Innenminister Günther Beckstein auf, die Aktion abzusagen, weil in einem Fall das Gerichtsverfahren eines Flüchtlings noch nicht abgeschlossen sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat indes die Abschiebung von Bosniern für rechtmäßig erklärt. Eine Aussetzung der Rückführungen wegen erheblicher Gefahr für Leib und Leben komme nicht in Betracht, da die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr zwar nicht unbedingt in ihren Heimatort, aber in „sichere“ Gebiete ausweichen könnten.