Giftiges Graben

Der Goldabbau im westanatolischen Bergama bedroht Menschen, Natur und Tourismus  ■ Von Christel Burghoff

Trotz einer gerichtlichen Klage, die Bewohner der westanatolischen Region Bergama gegen die Zerstörung ihrer Landschaft angestrengt haben, wird nun doch Gold abgebaut. Panzer und Spezialeinheiten der türkischen Regierung schützen – ungeachtet der Rechtslage – die Interessen von Eurogold (eine Tochterfirma internationaler Bergbaukonzerne) an der Ausbeutung einer neuen Fundstätte, so berichtet jetzt FIAN, eine internationale Menschenrechtsorganisation.

Mit dem Goldabbau gehen verheerende ökologische Folgen einher: Natriumzyanid, ein dem Zyankali verwandtes Gift, belastet großräumig Landschaft und landwirtschaftliche Produkte. Es wird verwendet, um das Gold aus dem gemahlenen Stein zu lösen. Mehrere Gutachten haben nachgewiesen, daß Zyanid in Form von Blausäure verdunstet. Niemand kann garantieren, daß die Rückhaltebecken, in denen die zyanidgetränkten Erzrückstände gelagert werden, dicht bleiben, wenn rund um Bergama mal wieder die Erde bebt. Ein Öko-Desaster – wie 1995 an der Omai-Mine im südamerikanischen Guyana – ist auch in der Türkei vorprogrammiert.

Negative Folgen bedrohen auch den regionalen Tourismus: Einheimische befürchten, daß die Urlauber ausbleiben, wenn giftige Abraumhalden die „Olivenriviera“ bestücken. Das Eldorado der Goldsucher liegt an der türkischen Ägäis. Es ist eine touristisch noch relativ verschlafene Region mit Olivenhainen und beschatteten Dorfplätzen, mit gesundem Obst, frischem Fisch, sauberer Luft, klarem Wasser und viel Historie. Bergama liegt nahe der antiken Stätte Pergamon. Zwar steht das Glanzstück Pergamons, der Zeus-Altar, im Berliner Pergamon-Museum, aber jährlich besucht eine Million Touristen die antiken Trümmerstätten. Für Tagesausflügler und Touristen auf Studienreise gehört der Besuch zum intellektuellen Pflichtprogramm.

Die Bürgerinitiative kämpft seit vielen Jahren für ihre Region. Seit sich die Situation vor einigen Tagen zugespitzt hat, sucht sie die Hilfe ihrer „europäischen Freunde“. Schließlich gehe es, so Sefa Taskin, der Bürgermeister von Bergama, um ein „Erbe aller Menschen“, nämlich den „Schutz des antiken Pergamon“.

Diese Hilfe sollte auch die Tourismusindustrie leisten. Der Umweltbeauftragte des Tourismuskonzerns TUI wurde ebenso informiert wie die Europäische Reiseversicherung. Sie sollten sich dem Protest anschließen, meint auch Halo Saibold vom Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Ausschusses für Fremdenverkehr – bis eine Entscheidung des Gerichts vorliegt.

Vom 30. Mai bis 6. Juni planen Umweltverbände und Grüne eine Solidaritätsreise zu den Stätten des Goldabbaus. Auf dem Programm stehen Besichtigungen der Abbaustätten, Besuche der antiken Orte Pergamon, Troja und Ephesos, Fahrten in die Ida-Berge und entlang der Küste sowie Gespräche mit Bewohnern und Infoveranstaltungen über die Perspektiven eines Unesco-Biosphärenreservats.

Infos: FIAN, Sektion Deutschland e.V., Overwegstraße 31, 44626 Herne, Telefon: 0241/912158,

Fax: 0241/911193.