■ Spektakulärer Vergleich im US-Tabakkrieg
: Die Suchtindustrie boomt weiter

Die teilweise fanatische Gesundheits- und Fitneßbewegung der amerikanischen Mittelklasse hat bei ihrem „Tabakkrieg“ einen weiteren wichtigen Etappensieg errungen. Chesterfield-Hersteller „Liggett“ wird künftig also nicht nur auf seine Packungen schreiben, daß Rauchen krebserzeugend ist und süchtig macht, was sowieso jeder weiß. Er wird künftig auch noch „freiwillig“ 25 Prozent seines Gewinns der öffentlichen Hand spendieren. Das hört sich gut an. Im Feldzug gegen die amerikanische Zigarettenindustrie bedeutet dies vielleicht den bisher größten Erfolg.

Bei der Bewertung des außergerichtlichen Vergleichs muß man allerdings berücksichtigen, daß die Liggett-Gruppe mit zwei Prozent Marktanteil im Konzert der großen Tabakkonzerne nur eine kleine Nebenrolle spielt. Den großen Schlag gegen die Suchtindustrie bedeutet dies noch lange nicht. Den US-Konzernen geht es wirtschaftlich noch immer glänzend. Sie müssen zwar im eigenen Land leichte Absatzeinbußen verkraften, aber das Exportgeschäft hat in diesem Jahrzehnt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einen gewaltigen Aufschwung erlebt. Niemals zuvor hat die amerikanische Tabakindustrie so viele Zigaretten verkauft. Entscheidend für die Bewertung von Erfolg oder Mißerfolg des Feldzuges gegen das Rauchen ist ohnehin etwas anderes: die tatsächliche Verhaltensänderung. Und hier geht ein Riß durch die amerikanische Gesellschaft. Die Nichtraucherkampagne hat im Angestelltenmilieu und im gutsituierten und gebildeten Bürgertum tatsächlich große Erfolge erzielt. Die rauchfreie öffentliche Zone ist augenfällig und vergrößert sich ständig. Doch bei den Frauen und Jugendlichen, bei den Schwarzen, bei den Minorities und sozial Schwachen wird genausoviel weggeplotzt wie immer. Hier gehört die Fluppe zur Alltagsbewältigung und Kompensierung weiter unverzichtbar dazu.

Die Lebensbedingungen der US-Gesellschaft anzusprechen und womöglich zu ändern ist eben weit schwieriger, als mit einer großen Moralpropaganda Rauchverbote durchzupauken und die größte Prozeßwelle in der Geschichte des Landes loszutreten. Es gibt sogar ganz böse Menschen, die behaupten, daß der Tobacco-War in den USA vor allem deshalb so hochgehalten wird, weil er der letzte Überrest der von Präsident Clinton einst versprochenen großen Gesundheitsreform ist. Manfred Kriener