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Seit gestern sind die türkischen Popstars Sezen Aksu und Tarkan auf Deutschlandtournee. Die türkische Fangemeinde hierzulande ist aus dem Häuschen, stehen doch ihre Idole zum erstenmal gemeinsam auf der Bühne. Die Generalprobe fand vor kurzem in Istanbul in noblem Ambiente statt Von Daniel Bax

Im Duett und koketten Wechsel

Erwartungsvolle Spannung im noblen Kongreßzentrum „Lütfü Kirdar“ in Istanbuls Geschäftsviertel Harbiye. Saalordner in Anzug und Krawatte hantieren mit Walkie- talkies, während junge Männer hastig ihre Freundinnen an ihnen vorbei in den Konzertsaal schieben. Dort schreiten bereits gesetzte Herren mit Begleiterinnen zu ihren Plätzen, ältere Damen machen ernste Gesichter, derweil ihre Töchter aufgeregt auf ihre Fingernägel beißen. Eine schwere Parfümwolke legt sich über die gutgefüllten Ränge, womit die anwesende Prominenz von ihrer Wichtigkeit kündet. Sezen Aksu und Tarkan, zwei der berühmtesten Popstars der Türkei, geben an diesem Abend in Istanbul ihr erstes gemeinsames Konzert vor etwa 2.000 Zuhörern. Gleichzeitig ist es die inoffizielle Generalprobe zur Deutschlandtournee der beiden Stars, die gestern abend in der Nürnberger Frankenhalle startete.

Eigentlich sind sie ein recht ungleiches Paar: der Altstar Sezen Aksu, eine Integrationsfigur, die in fast allen Alters- und Gesellschaftsschichten gleichermaßen Zuspruch findet, und der Jungspund Tarkan, der vor allem Idol der türkischen Jugend ist. Dennoch bilden sie ein harmonisches Team. Tarkan balzt mit jugendlichem Charme und seinem berühmten Hüftschwung, Sezen Aksu erobert ihr Publikum im Sturm der Emotionen. Ganz souveräne Entertainerin, strahlt Sezen Aksu eine erfrischende Natürlichkeit aus, die nicht gerade vielen türkischen Stars zu eigen ist.

Vom ersten Ton an ist alle aufgesetzte Steifheit im Saal fast wie weggeblasen, locker plaudert die Sängerin mit dem Publikum und scherzt mit ihrem Bühnenpartner Tarkan. Das Traumpaar des türkischen Pop verbindet eine Art künstlerisches Mutter-Sohn-Verhältnis, schrieb sie für Tarkan doch den Song „Hepsi Senin mi?“, dem er seinen Durchbruch zu verdanken hat. Auf der Bühne jedoch ist Sezen Aksu weder Mutter noch entrückte Diva, sondern verkörpert mit gespielter Mädchenhaftigkeit und burschikosem Witz weibliches Selbstbewußtsein und selbstbestimmte Erotik.

Wenn Sezen Aksu singt, sind alle ganz Ohr: Mal im Duett, mal im koketten Wechsel mit dem weitaus jüngeren Tarkan fasziniert sie ihre Zuhörer mit ihren intelligenten, packenden und oft melancholischen Liedern. Längst hat sie ihren ganz eigenen Stil gefunden, den man man in seinem Facettenreichtum nur schwerlich unter einen so vagen Oberbegriff wie „orientalischer Pop“ zusammenfassen kann. Ihr Publikum liebt sie dafür: Bei den schnelleren Stücken möchten nicht wenige tanzen, bei den getragenen Liedern, die sie schon mal ohne Mikrofon vom Bühnenrand aus singt, singen fast alle im Saal die Textzeilen mit.

Ein gutes Viertel der Konzertbesucher besteht an diesem Abend in der zweiten Märzwoche aus geladenen Gästen, aber auch das übrige Publikum stellt sich vorzugsweise im Anzug oder Abendkleid ein. Billig waren die Karten nicht, schließlich ist das Konzert eine Benefizveranstaltung für das erste türkische Behandlungszentrum für Alkohol- und Drogensüchtige in Istanbuls Randbezirk Bakirköy. Und damit ein Special Event. Wenn Sezen Aksu sonst eines ihrer stets in Windeseile ausverkauften Konzerte gibt, dann am liebsten im malerischen Ambiente der unmittelbar am Bosporus gelegenen Rumeli-Burgruine oder im antiken Amphitheater bei Ephesus.

Seit Wochen nun kündigen Anzeigen in türkischen Zeitungen in der Bundesrepublik die Tourneestationen an: von München bis Hamburg, von Stuttgart bis Berlin. Vor Ort werben Plakate für das erste gemeinsame Konzert der beiden Stars in Deutschland. Die türkische Fangemeinde in Deutschland fiebert dem Ereignis entgegen, schließlich liegt zumindest Sezen Aksus letzter Besuch schon ein paar Jährchen zurück. Anders als sonst bei türkischen Konzerten üblich, läuft der Kartenverkauf nicht ausschließlich über die informellen Kanäle türkischer Reisebüros und Gemischtwarenläden, sondern auch über die Vorverkaufskassen. Da schwingt bei den Veranstaltern nicht zuletzt der Gedanke mit, die beiden türkischen Stars auf diesem Wege auch einem deutschen Publikum zugänglich zu machen.

Der erste Versuch ist das nicht. Vor einigen Jahren stieg Sezen Aksu zu Udo Lindenberg auf die Bühne und sang mit ihm im Duett. Ziemlich schräg war diese Konstellation und nicht gerade ein großer Erfolg. Dahinter steckte die Strategie ihrer Plattenfirma, die türkische Sängerin auf dem deutschen Popmarkt einzuführen. Die Idee kam nicht von ungefähr, erfreute sich doch Sezen Aksus damaliger Sommerhit „Hadi Bakalim“ gerade auch bei vielen deutschen Türkei-Urlaubern enormer Beliebtheit. Der Versuch zündete nicht und wurde daher rasch abgehakt. „Ich habe nicht richtig dahintergestanden und das nicht weiter verfolgt“, sagt Sezen Aksu heute dazu. Seither hat sie ohnehin einen anderen Weg eingeschlagen, weg vom Disco-Beat eines „Hadi Bakalim“ hin zu anspruchsvollem Erwachsenenpop, der stärker in klassischen und regionalen Traditionen der Türkei verwurzelt ist.

„Ich interessiere mich nicht so für den populären Markt, es geht mir vielmehr darum, ein bestimmtes Gefühl zu vermitteln“, sagt sie. „Ich suche den aufrichtigsten und reinsten Punkt zwischen dem Interpreten und dem Zuhörer. Und indem ich mein eigenes, aus meinem Innersten kommende Lied singe, trifft meine Musik schon diejenigen, die sie treffen soll – weil eine Nähe da ist. Das sind Sachen, die nicht durch Planung erreicht werden können, sondern durch Gefühle.“ Und die, meint sie, seien prinzipiell auch Nichttürken vermittelbar: „Alle Menschen der Welt können das verstehen.“

Als aussichtsreichster türkischer Kandidat für eine internationale Karriere wird augenblicklich Shooting-Star Tarkan gehandelt, der an seinem noch in diesem Jahr erscheinenden englischsprachigen Debüt für den US-Plattenmulti Atlantic feilt und der am kommenden Batman-Soundtrack mit einem Stück beteiligt sein soll. Aber auch Sezen Aksu will es noch einmal wissen. Ihr nächstes Album führt sie mit Goran Bregović zusammen, dem Komponisten der Musik zu den Kusturica-Filmen „Time of the Gypsies“, „Underground“ und „Arizona Dream“, das ebenfalls weltweit erscheinen soll. Eine gute Wahl, denn Bregović hat schon Erfahrungen mit Künstlerinnen von Format: Zuletzt komponierte er Stücke für Cesaria Evora und Jane Birkin.

Dem gestrigen Eröffnungskonzert in Nürnberg folgen Oberhausen (22.3.), Hannover (23.3.), Berlin (25.3.), Hamburg (26.3.), Köln (27.3.), München (29.3.), Stuttgart (30.3.) und Frankfurt (31.3.)

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