Braunkohlestrategie von RWE am Rhein gefährdet

■ Studie der Dresdner Bank: Deregulierung des Strommarktes läßt Profite ab 1998 schwinden. Bündnisgrüne sehen „eine Bombe“ für geplanten Tagebau Garzweiler II

Düsseldorf (taz) – Die Deregulierung des deutschen Strommarktes wird beim Essener Strommulti RWE in den kommenden Jahren zu einem „starken Ergebniseinbruch“ führen. Die Liberalisierung trifft zwar alle bisherigen Strommonopolisten, aber RWE muß sich besonders fürchten, weil die Braunkohlestrategie des Konzerns „nicht mehr aufgeht“. Zu diesem Ergebnis kommen die Analysten von „Kleinwort Benson Research“, einer 100prozentigen Tochter der Dresdner Bank. Die in Frankfurt residierenden Autoren schreiben in ihrer der taz vorliegenden 50seitigen Untersuchung, daß es bei RWE schon 1998 „zwangsläufig“ zu einem Rückgang des Gewinns kommen werde.

In der vom 15. November 1996 datierenden Untersuchung wird RWE bescheinigt, unter den Energieversorgern für den Wettbewerb „am schlechtesten positioniert“ zu sein. Wenn der Konzern an der Braunkohlestrategie festhalte, werde das „möglicherweise zu einer Vernichtung des Shareholder Value in Höhe von neun Milliarden Mark“ führen. Die RWE-Aktie sei zwischen 35 und 40 Prozent überbewertet. Wegen der „völlig ungerechtfertigten“ hohen Bewertung lautet die Empfehlung der Analysten: „Verkaufen“.

In der Studie ist davon die Rede, daß die Kosten der Stromerzeugung aus Braunkohle um 60 Prozent über den Kosten für importierte Steinkohle liegen. Der Düsseldorfer Landtagsabgeordnete der Bündnisgrünen, Gerd Mai, nannte das gestern „eine Bombe“. Sie belege im Detail, daß der Aufschluß des umstrittenen Tagebaus Garzweiler II auch ökonomisch „Unsinn“ wäre. Die Argumentation von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), wonach Garzweiler II jetzt besonders dringend sei, um die ausfallende heimische Steinkohle zu ersetzen, gehe „eindeutig nicht auf“.

Während der Hauptversammlung vergangenen Dezember hatte RWE-Konzernchef Dietmar Kuhnt erstmals öffentlich eingeräumt, daß die Braunkohle es „aufgrund der niedrigen Importenergiepreise schwerhat, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu behaupten“. Tatsächlich werden in Industriebetrieben und Kommunen derzeit fast auschließlich Gaskraftwerke gebaut, Wohnhäuser stellen ihre Heizung von Kohle auf Gas und Öl um.

Ein Sprecher der Essener RWE-Energie AG bezeichnete die Studie gestern als einen „eindeutigen Fehlschuß“. Die Grunddaten darin seien „überwiegend unordentlich zusammengestellt“. RWE werde auf die Deregulierung so reagieren, daß die Braunkohle auch in Zukunft konkurrenzfähig bleibe. An der Börse hat die Analyse aus dem Hause der Dresdner Bank dem Konzern bisher nicht geschadet. Im Gegenteil, die Aktienkurse sind gestiegen. Walter Jakobs