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: Medien-Memory

Ein klasse Wort im Untertitel verspricht immer Auflage. Hier heißt es „Schreinemakerisierung“ – das klingt lustig und irgendwie nach gutgelaunter Reflexion. Doch bei Siegfried Weischenberg verbirgt sich dahinter nur die uralte Erkenntnis, daß die mediale Evolution aus den meisten Journalisten längst Journalistendarsteller gemacht hat. So what, könnte man einwenden, aber an der Uni macht man nun mal gern aus schlichten Wahrheiten ganze Vorlesungsreihen, die später zu günstigen Taschenbücher gerinnen.

Weischenberg sampelt vom Gladbecker Geiseldrama bis zu Michael Born so ziemlich alle medialen Sündenfälle der vergangenen Jahre und tut einfach mal so, als wäre dazu nicht schon alles gesagt worden. Es gibt ja schließlich immer noch Leser, die stolz darauf sind, nur arte und „die Sendung mit der Maus“ zu gucken. So hat der Dozent für sich und die Seinen eine Art Medien-Memory gebastelt: Wer die Karte mit dem Sat.1- Logo aufdeckt, muß nur noch die mit den passenden Sprüchen von Neil Postman finden.

Am liebsten aber spielt Weischenberg mit sich allein – dann hat er zuweilen einen richtigen run: „Der Journalismus muß farbiger werden ... farbiger heißt aber nicht nur: mehr Bilder, sondern auch: mehr Tränen – Gefühle statt Fakten. Gute Zeiten – schlechte Zeiten: gut für die Journalistenschule, schlecht für die Enkel und Urenkel des Egon Erwin K.“ So redet nur, wer ein gut Teil seiner Zeit im Lehrerzimmer rumhängt und den Fortschritt des Diskurses willentlich ausblendet.

Für den Handapparat mag das reichen, wenn sich der Autor aber in aller Öffentlichkeit weigert, über die medienwissenschaftliche Höhlenmalerei hinauszudenken, wird es ärgerlich. So lautet Weischenbergs Fazit, daß es sich bei der Schreinemakerisierung „wahrscheinlich um eine Perfektionierung der Amerikanisierung“ handele, „die das deutsche TV-System in den vergangenen Jahren erfahren hat“. Klarer Fall von galoppierender „Weischenbergisierung“. Oliver Gehrs

Siegfried Weischenberg: „Neues vom Tage. Die Schreinemakerisierung unserer Medienwelt“. Rasch und Röhring, 200 S., 29.80 DM