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Roll-Back gegen Rüstungskonversion

■ Betriebsräte machen sich auch in Norddeutschland für die Wehrtechnik stark – zum Leidwesen der IG Metall

„Rüstungskonversion ist doch nur ein billiges Schlagwort. Die zivilen Märkte sind doch längst dicht“. Mit diesen Sätzen bringt der Münchener Ingenieur Dieter Rügemer die Meinung einer offenbar steigenden Anzahl von Metall-Arbeitnehmern und Betriebsräten auf den Punkt. Rügemer ist Sprecher des Arbeitskreises der Betriebsräte in Wehrtechnik, Luft- und Raumfahrt (WLR), der von seiner Basis in Süddeutschland aus in letzter Zeit verstärkt in Norddeutschland aktiv wird vor allem unabhängige Betriebsräte, aber auch Gewerkschaftsmitglieder, für sich gewinnt. Sehr zum Leidwesen der IG Metall, die sich offiziell den Ausstieg aus der Rüstungsindustrie auf die roten Fahnen geschrieben hat.

IG-Metaller kündigen Streit an: „Das ist nicht durch Beschlüsse der Gewerkschaft gedeckt“, sagt ein Betriebsrat. „Wir wollen damit nichts zu tun haben“, meint Inge Lies-Bohlmann aus der IGM-Kreisleitung.

Der WLR wendet sich mit aktiver politischer Lobby-Arbeit für Waffensysteme wie den Eurofighter oder den Kampfhubschrauber Tiger gegen den weiteren Schwund von Jobs in der Rüstungswirtschaft. Denn seit 1990 schrumpfte die Branche um 80.000 auf 100.000 Arbeitsplätze. Jetzt sei die Systemfähigkeit der Waffenschmieden bedroht, heißt es.

Vor einigen Tagen trafen sich sehr vertraulich etwa 20 Verteidiger der Wehrtechnik auf der Lürssen-Werft in Lemwerder, anschließend wurde auf dem Schulschiff Deutschland in Vegesack getafelt. Lürssen-Betriebsrat Holger Bischoff reagiert auf Nachfragen unwirsch, verweist auf den Münchener WLR-Sprecher und wirft den Hörer auf die Gabel.

Dabei versichert man in München, daß man keine Geheimnisse habe. Schließlich erfülle man die wertvolle staatspolitische Aufgabe die Bundeswehr mit anständigen Waffen auszurüsten: „In unserem Arbeitskreis sind 31 Betriebsrats-Gremien Mitglied, die 30.000 Arbeitskräfte repräsentieren“, sagt Rügemer. Aus Bremen seien neben Lürssen auch Betriebsräte von STN Atlas Elektronik und Aircraft Services Lemwerder dabei, vor allem Unabhängige, aber auch Mitglieder der IG Metall. Nach Aussage von Rügemer wird auch innerhalb der IG Metall ein schon lange Jahre bestehender Wehrtechnik-Arbeitskreis wieder aktiv. „Eine Privatveranstaltung“, sagt Michael Ahlmann-Elze, in der Konversionsdebatte engagierter IG-Metall-Betriebsrat bei STN Atlas. Ähnlich äußert sich auch Uwe Neuhaus, Betriebsrats-Chef bei der Bremer DASA.

Ende April will sich die Bremer IG Metall bei einem Seminar die Position zur Konversion bestimmen und eine Broschüre zum Thema formulieren. Der Bremer Konversionsbeauftragte, Professor Wolfram Elsner, mahnt die IG Metall, sich nicht auf eine reine Erhaltungsstrategie einzulassen, die den Jobtod nur vorübergehend verlangsamen könne. Wie schwierig aber der allmähliche Umstieg von Rüstung auf zivile High-Tech-Produkte ist, haben die Erfahrungen mit dem Bremer Konversionsprogramm gezeigt: Der Abbau von Arbeitsplätzen konnte allenfalls zeitlich verschoben werden. Der Konversions-Musterbetrieb Deutsche System-Technik ging Pleite.

So bleibt die Haltung vieler Gewerkschafter zur Rüstungswirtschaft eine Gradwanderung: So ist die IG Metall durchaus für den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Vulkan-Marineschiffbau, die die Lürssen-Werft übernehmen will, falls ausreichende Teile der jüngsten Fregattenaufträge nach Bremen gehen sollten. Inge Lies-Bohlmann: „Das Geld dafür ist sowieso bewilligt, da will ich die Arbeitsplätze gerne in Bremen haben und nicht nur in Kiel und Hamburg.“

Joachim Fahrun

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