■ Nachschlag
: Oskar Panizza in der DT-Baracke

Oskar Panizza (1853-1921), der Autor der Himmelssatire „Liebeskonzil“, für die er 1895 mit Festungshaft bestraft wurde, hat noch mehr Unerhörtes geschrieben. Etwa „Die Menschenfabrik“, eine Gruselerzählung über einen Wanderer, der in eine Fabrik gerät, wo Menschen gemacht werden, „wie man Brot macht“. Die beliebige Manipulierbarkeit der Kunstmenschen beim Schöpfungsakt, von der hier fassungslos berichtet wird, scheint zur aktuellen Debatte um das Klonen zu passen. Daß aber die Realität zuweilen Phantasien der Vergangenheit streift, trägt zur Diskussion nichts weiter bei, und sicher hat der Regisseur Christian Treskow die Arbeit an der Inszenierung der „Menschenfabrik“ schon zu einer Zeit begonnen, als man bei „Dolly“ noch an Parton dachte. Das Interesse liegt daher an einem anderen Punkt, eher am Ende des Textes, als der Ich-Erzähler, der Fabrik entkommen, erleichtert einen „echten“ Bauern sieht, ihn aber so beschreibt, als handle es sich ebenfalls um eine Maschine. Vom Verschwinden der Individualität hinter der Funktionalität handelt der Abend in der Baracke.

Vier Darsteller sitzen in braunen Reisekostümen an vier Tischen mit Tretnähmaschinenunterbau, ringsherum Schließschränke. Im Wechsel sprechen sie Panizzas Text, immer wieder unterbrochen durch Anweisungen aus dem Off. „Waschen!“ heißt es da etwa, alle springen auf und vollführen zu heiter-rhythmisierender Musik ein Waschritual, dessen mechanische Beschwingtheit sowohl den Text als auch den Theatervorgang kommentiert. Spontaneität aus der Retorte. Kunststück. Später heißt es „essen!“ oder „gehen!“, und beim zweiten „essen!“ kippt das Ganze. Die Schauspielerautomaten wollen ans Licht, verweigern sich den Abläufen und stürzen ins Chaos. Aber nicht so tief, daß die Geschichte nicht doch noch zu Ende gebracht werden könnte.

Treskows Grundeinfall ist schlüssig gespielt, füllt aber keine 80 Minuten. Albernheiten kommen auf, Hut wegnehmen, Wasser trinken um die Wette. Alles mündet in hektischem Tischerücken, dann werden die Türen der hinteren Schränke aufgestoßen, man sieht den Sternenhimmel und einen Mann mit weißem Hund. Bei der Außenwelt, die in die theatralische Laborsituation einbricht, handelt es sich natürlich doch wieder nur um Theaterwirklichkeit, was das Ganze in eine Endlosschlaufe vorgestellter Echtheit katapultieren könnte. Nur ist die Szene derart pathetisch aufgeladen, daß man zweifelt, ob Treskow das so konsequent gemeint hat. Petra Kohse

Frank Seppeler, Rainald Grebe, Matthias Friedrich und Claudia Bauer Foto: Cristina Damasceno