■ Um eine Illusion ärmer zurück über die Adria
: Albaner sind Europäer

Daß Flüchtlinge im fremden Land schief angesehen werden, zumindest sobald sie in größerer Zahl ankommen, überrascht nicht. Und wenn man sie nicht mehr, wie früher, als Beweis der „Überlegenheit“ des eigenen Systems verkaufen kann, hat sowieso keiner mehr Interesse an ihnen. Insofern sind wir Albaner auch ohne große Illusionen übers Meer gekommen.

Doch das eine ist, uns zu sagen, „wir haben keinen Platz für euch, trollt euch wieder, bei uns gibt's ohnehin zuwenig Arbeit“. Das andere aber ist, uns in geradezu haarsträubender Manier zu diskriminieren. Genau das aber geschieht immer häufiger. Und dabei meine ich nicht nur die dummen Sprüche Marke „Ihr wollt ja gar nicht arbeiten, sondern nur Hilfsgelder einstreichen“ oder „Ihr wollt euch ja nur bei uns vollfressen.“ Viel mehr als das schmerzt uns, wenn sie uns gerade so behandeln, als wären wir irgendwie von einem anderen Stern gekommen.

„Wißt ihr, ihr als Nichteuropäer...“, sagte uns der Mann von der Küstenwache schon, als er unser Boot eskortierte und in den Hafen von Brindisi leitete. Dann kamen Kommissare, die uns erklärten, daß wir von Italien vor allem wegen „Schengen“ nicht aufgenommen werden könnten. „Schengen“, so erklärten sie uns, sehe vor, daß wir, wo immer wir in Europa auch hingingen, wieder ins Land des ersten „Eindringens“ zurückgeschickt würden, und das wäre dann Italien. Mit anderen Worten: Haut ab nach Griechenland, da habt ihr ja eine Grenze gemeinsam.

Doch die Griechen haben längst dichtgemacht, außerdem hat sich herumgesprochen, daß die tatsächlich zu arm sind, um uns aufzunehmen. Italien, das uns übers Fernsehen immer wieder gezeigt hat, daß es sich zu den sieben wirtschaftsstärksten Nationen der Welt zählt und daher an jedem G-7-Gipfel teilnimmt, schien uns doch groß und reich und vor allem einflußreich genug, die anderen europäischen Staaten zugunsten Albaniens zu mobilisieren und uns bis dahin zu beherbergen. Zehntausend von uns sind bisher angekommen, es werden wohl auch im allerhöchsten Falle keine fünfzigtausend werden. Ist es wirklich unmöglich, hier Lösungen zu schaffen?

Ach ja, ich habe schon wieder vergessen, daß wir ja eigentlich keine Europäer sind. Irgendwie siedeln sie uns in Asien an, in die Dritte Welt, wo eben Hungerleider hingehören. Untersucht werden wir demgemäß nicht nur auf Tuberkulose, Scharlach und Malaria, sondern auch auf Aids, obwohl die Zahl derer, die diese Krankheit haben, in Albanien verschwindend gering ist. Und erkennungsdienstlich behandelt werden wir, als seien wir persönliche Abgesandte des Cali-Kartells aus Südamerika und vollgepackt mit Drogen. Vielleicht klingt es arrogant und unserer Lage ganz und gar nicht angemessen: Aber wenn das, was uns da begegnet, wirklich „Europa“ sein soll, dann sollten wir uns dringend davon abwenden. Enver Alia

Der Autor ist Albaner und Arzt. Er kam mit einem „Desperado“-Schiff nach Brindisi und ist inzwischen freiwillig wieder nach Albanien zurückgekehrt.