Nicaragua: Politische Vergeltung am Skalpell

■ Ein deutscher Chirurg, der einst Sandinisten operierte, darf kein Chefarzt sein

Berlin (taz) – Nicaraguas neue ultrarechte Regierung rechnet mit ihren Gegnern ab – und macht dabei auch vor Krankenhäusern nicht halt: Eines ihrer ersten Opfer ist der prominente deutsche Neurochirurg Dr. Ernst Fuchs, alias Carlos Vanzetti. Im Februar wurde er als Chefarzt am Lenin-Fonseca- Hospital in Managua abgesetzt.

Wie in allen Krankenhäusern Nicaraguas gab es mit dem Machtwechsel im Januar auch im Lenin- Fonseca eine neue Direktion. Die frischgebackene Direktorin Nubia Cano hatte nichts Eiligeres zu tun, als Vanzetti durch ihren Parteifreund Enrique Vegas zu ersetzen. Der hatte wenige Tage vorher im Fernsehen eine Diffamierungskampagne gegen den 58jährigen deutschen Kollegen losgetreten. Er sei gar kein richtiger Arzt und dürfe gar nicht in Nicaragua operieren. Rechte Radiostationen nahmen den Hinweis auf und forderten die Ausweisung des Spezialisten, der im Befreiungskampf gegen den Diktator Somoza zu den sandinistischen Guerilleros gestoßen war und als Feldchirurg an der Südfront gearbeitet hatte.

Weder die Radiosender noch der Gesundheitsminister machten sich die Mühe, Vanzetti um den Nachweis seiner Qualifikationen zu bitten. Der deutsche Botschafter Ulrich Schöning trug das Thema bei einer gemeinsamen Reise mit Gesundheitsminister Carlos Quiñónez vor und sandte beglaubigte Übersetzungen von Fuchs' Urkunden. Ohne Erfolg. Fuchs darf zwar weiterhin operieren, verlor aber den Chefarztposten. Qualifikation ist kein Kriterium, da Präsident Arnoldo Aleman im Wahlkampf 400 Ärzten für ihre Unterstützung gut dotierte Posten versprochen haben soll.

Daß Gesundheitsminister Quiñónez sich nicht für ihn einsetzt, ja wahrscheinlich sogar die Anweisung zu seiner Absetzung gegeben hat, erklärt sich Fuchs mit politischem Revanchismus. Denn Quiñónez wurde im Jahre 1980 vom damaligen Gesundheitsminister Amador Kuehl als Chefarzt der Neurochirurgie abgelöst – sein Nachfolger wurde Fuchs. Statt dessen Bitte um weitere Mitarbeit Folge zu leisten, widmete sich Quiñónez der Privatmedizin und engagierte sich in oppositionellen Organisationen, die unter anderem von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gesponsert wurden. Nach dem Wahlsieg Arnoldo Alemans im vergangenen Oktober stieg er zum Minister auf.

Die nicaraguanischen Zeitungen machten bei der Hetzkampagne nicht mit. El Nuevo Diario und selbst die konservative La Prensa veröffentlichten Leserbriefe von ehemaligen Patienten, die sich für Fuchs einsetzten. Zwar sind viele mit dem Arzt nicht politisch einer Meinung, jedoch fand sich keiner, der sich über ärztliche Fehler beklagen konnte.

Auch der Romancier und ehemalige Vizepräsident, Sergio Ramirez, erinnerte sich auf einer Meinungsseite, wie ihn der Klinikvorstand aus Berlin-Steglitz einst im Exil in Costa Rica aufgesucht hatte, um der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) seine Dienste im Befreiungskampf anzubieten: „Und dann fuhr er fort, schlicht und schweigsam, abseits des großen Wirbels, und hinterließ seine Spuren bei all den Tausenden, die durch seine Chirurgenhände gingen und all den Chirurgen, die er ausgebildet hat, in heruntergekommenen Operationsräumen, ohne adäquates Gerät und manchmal sogar ohne Nähgarn.“ Ralf Leonhard