■ Für die Stahlkocher, die heute in Frankfurt demonstrieren, sind im Übernahmestreit zwischen Thyssen und Krupp die Banken eindeutiger Buhmann
: Sturm auf Mainhattan

Für die Stahlkocher, die heute in Frankfurt demonstrieren, sind im Übernahmestreit zwischen Thyssen und Krupp die Banken eindeutiger Buhmann

Sturm auf Mainhattan

Die Kohlekumpel fuh-

ren letztens nach Bonn zur Politik, heute sind die Stahlkocher in Frankfurt beim großen Geld. Sie demonstrieren direkt vor den Wolkenkratzern in Mainhattan. „Massive Auseinandersetzungen“ auch über die Osterfeiertage kündigten IG Metall und die Thyssen-Beschäftigten an. Die Deutsche und die Dresdner Bank sind nun die Buhmänner der empörten Arbeiter, weil sie als Geldgeber hinter der Attacke von Krupp-Hoesch auf Thyssen stehen. Die beiden Banken würden „Insiderwissen benutzen, um Thyssen zu zerschlagen und Arbeitsplätze kaputtzumachen“, so der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Walter Riester am Freitag vor 2.000 Betriebsräten von Thyssen.

Auch wenn es Krupp-Hoesch nicht gelingen sollte, Thyssen vollständig zu übernehmen – die Stahlbereiche der beiden Unternehmen werden wohl auf jeden Fall zusammengelegt. Das bringt laut IG Metall keine zukunftsfähige Perspektive für die Beschäftigten. Vielmehr sei zu befürchten, daß unterm Strich ein gewaltiger Arbeitsplatzabbau stehe.

Vor den Banken stehen heute aber keineswegs nur die Stahlarbeiter, sondern auch andere Sparten von Thyssen wie die Spediteure mit ihren Lastern. Sie wollen dagegen protestieren, „über Nacht an ein anderes Unternehmen verschachert zu werden“. Besonders erbost ist die Belegschaft über die Deutsche Bank. Einerseits hat sie über ihre Tochter Deutsche Morgan Grenfell die Führung im Bankenkonsortium, das Krupp-Chef Gerhard Cromme mit Milliardenkrediten für die Übernahme versorgt. Andererseits sitzt sie im Aufsichtsrat der Thyssen AG und hat damit Einsicht in vertrauliche Geschäftsunterlagen. Die Gewerkschaften fürchten, daß in Deutschland Sitten wie in den USA einreißen, wo in den Achtzigern mit Hilfe von Bankkrediten Finanzjongleure Konzerne aufkauften und zerschlugen.

Einen Schreck bekam die Dresdner Bank schon gestern. Unbekannte warfen einen Sprengsatz in den Geldbombenschacht einer Filiale in Hattingen bei Essen. Die Dresdner Bank wird die Entglasung 100.000 Mark kosten, bei der gegenüberliegenden Filiale der Deutschen Bank gingen ebenfalls Scheiben zu Bruch. „Wir verurteilen diesen Akt des Terrors aufs schärfste“, entschuldigte sich prophylaktisch der Thyssen-Betriebsrat; die Stahlarbeiter hatten Angst, mit dem Sprengsatz in Verbindung gebracht zu werden. Es handelte sich jedoch um den ganz gewöhnlichen Versuch, mit illegalen Methoden an Bargeld zu kommen.

Mit Überfällen können die deutschen Banken leben. Mit den Zehntausenden demonstrierenden Arbeitern im Frankfurter Bankenzentrum auch: Die Stahlarbeiter hätten nachvollziehbare Angst um ihre Arbeitsplätze und müßten dies schließlich irgendwo kundtun, sagte ein Sprecher der Deutschen Bank lakonisch. „Man weiß nicht, wo man seine Unsicherheiten loswerden soll.“

Auch Ulrich Cartellieri kann die Aufregung um die dunkle Macht der Banken nicht verstehen. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank saß und sitzt im Aufsichtsrat der Thyssen AG. Ihm wird die Weitergabe von Insiderwissen vorgeworfen. „Selbstverständlich habe ich zu keiner Zeit Informationen über Thyssen an Krupp oder umgekehrt gegeben“, wehrte er sich gestern schriftlich in einer persönlichen Erklärung. Doch in seiner Funktion als Vorstand der Deutschen Bank habe er die „Begleitung des Krupp-Angebots“ befürwortet.

Aus seiner Sicht macht dies Sinn. Krupp-Chef Gerhard Cromme hat der Deutschen Bank ein industrielles Konzept vorgelegt, die Banker haben gerechnet. „Das Konzept war schlüssig, deswegen haben wir Krupp beraten“, sagt der Deutsche-Bank-Sprecher. Damit erfüllt die Bank ihr Unternehmensziel: Gewinne machen durch Kreditvergabe. Die Deutsche Bank „betreibt grundsätzlich keine eigenständige Industriepolitik“, verbreitete Cartellieri gestern. Aber man könne helfen.

Wenigstens der Deutsche- Bank-Vorständler Cartellieri drohte gestern Konsequenzen seines Tuns an: Er halte sich offen, das Aufsichtsratsmandat bei Thyssen niederzulegen. Ulrike Fokken,

Reiner Metzger