Das Spucken der Antifa

■ Wer die Sprüche rechter Jugendlicher nicht kommentiert, hat's schwer: "Torfsturm", 21.40 Uhr, ARD

Der fehlende Kommentar war ihr Verhängnis: Weil Dagmar Gellert, die Regisseurin von „Torfsturm“, darauf verzichtet hatte, ihrem einfühlsamen Porträt über eine rechtsextreme Jugendclique aus Bremen die moralische Gebrauchsanweisung via Off-Kommentar beizugeben, bekam sie es zur Filmpremiere im Kommunalkino mit der örtlichen Antifa zu tun. Ein Schicksal, das 1992 schon Winfried Bonengels „Beruf Neonazi“ ereilt hatte.

Am 4. November vergangenen Jahres, zur zweiten Aufführung des Films, bekam Dagmar Gellert statt Applaus sogar Spucke ab. Die Antifa-Leute, erzählt sie, wollten die Aufführung verhindern, kreisten die Regisseurin ein, bespuckten sie. Was Dagmar Gellert außer dem Schock noch in unguter Erinnerung hat: Keiner der anwesenden Altlinken im Publikum kam ihr zu Hilfe.

Sechs Monate lang hatte sich die Regisseurin zweimal wöchentlich mit den Jungrechten getroffen, bevor sie die Kamera überhaupt eingeschaltet hat. „Torfsturm“, so nannte sich die Clique, die sich mittlerweile aufgelöst hat. Nette junge Leute in Freizeitkleidung und mit Fönfrisur sind das, solange sie einzeln auftreten. In der Gruppe ist das anders: Da entlädt sich ihr Bedürfnis nach einem Wir- Gefühl, transportiert übers Bier- Gefühl, oft genug in Gewalt. Offene Gewalt sieht man freilich selten in „Torfsturm“, Gellert geht lieber den subtileren Weg und läßt „Engelsgesichter Grauenhaftes erzählen“. Unerträglich, auch ohne Kommentar.

Michael: „Die Faschisten sind die Türken, die uns ihren Glauben aufzwingen wollen. Wir sind Befreiungskämpfer.“ André: „Selbstsicher fühl' ich mich nur aufm Scheißhaus beim Gameboyspielen.“ Stephan: „Ich bin immer weggelaufen, wenn meine Mutter mich gejagt hat mit dem Kochlöffel. Und einmal ist der Kochlöffel an mir zerbrochen, und da dachte ich: Ich bin aus Stahl.“ Drei Zitate von vielen, die Dagmar Gellert den Jugendlichen entlockt hat — über sich selbst, ihre Pläne und ihre „Gesinnung“. „Zwischentöne haben diese Jugendlichen in keiner Form jemals empfunden und gelebt“, sagt die Regisseurin. Um die ostinaten Freund-Feind-Bilder im Kopf der Jugendlichen filmisch darzustellen, konfrontierte Gellert sie mit Gegensatzpaaren, z.B. eindeutig oder widersprüchlich. „Das Leben ist widersprüchlich; ich bin eindeutig“, war die Antwort.

Damit das Leben nicht zu widersprüchlich wird, gibt es Markus Privenau. Selbsternannter „Kameradschaftsführer“ und langjähriger gerichtsnotorischer Multiplikator rechten Gedankenguts in Bremen, bastelt er unermüdlich an der ideologischen Festigkeit der Jugendlichen. Freizeitgestaltung nennt er das: Durchführung von Schulungen, Organisation von Rudolf- Heß-Gedenkmärschen oder einfach mal eine Fahrt in den Heidepark Soltau.

In einer der gelungensten Szenen gehen die Jugendlichen gemeinsam ins Möbelhaus, um mal zu zeigen, wie sie denn am liebsten wohnen würden: Schwere Sessel und Schrankwände im Gelsenkirchener Barock werden mit Überzeugung favorisiert. Ein Geschmack, wie ihn schon die Großväter hatten, von denen die Enkel mitunter die rechte Ideologie übernommen haben, denn ihre Väter sehen sie nur selten.

Um zehn Minuten mußte Dagmar Gellert ihren Film kürzen, damit er ins Programmschema der ARD paßte. Bleibt zu hoffen, daß Ole mit dem Waschzwang („Ausländer sind oftmals nicht sehr sauber“) nicht der Schere zum Opfer gefallen ist, wenn er auf die Frage, was er mit den Linken machen würde, hätte er was zu sagen, antwortet: „Erst mal waschen!“ Alexander Musik