Aus Bayern in die Obdachlosigkeit

■ 41 bosnische Flüchtlinge wurden von München nach Sarajevo abgeschoben, darunter auch eine Schwangere

München/Sarajevo (taz) – Bayern hat gestern zum zweitenmal bosnische Flüchtlinge zur Rückkehr in die Heimat gezwungen. 41 Männer und Frauen wurden am Mittag auf dem Münchner Flughafen in einer abgeschotteten Halle in ein Flugzeug verfrachtet. Am frühen Nachmittag trafen sie in Sarajevo ein. Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums kamen 36 der Flüchtlinge aus Bayern und 5 aus Berlin; unter ihnen waren 12 Straftäter und 24 Sozialhilfeempfänger gewesen. Der Beschluß der Innenminister, nach dem zunächst nur Alleinstehende abgeschoben werden sollten, wurde sehr eigenwillig interpretiert: Auch eine Schwangere mußte nach Sarajevo fliegen.

Die Abschiebung war sorgfältig abgeschirmt. Weder Journalisten noch Abgeordnete hatten eine Chance, mit den Flüchtlingen zu sprechen. Lediglich der Flughafen-Sozialdienst konnte die 41 Bosnier kurzzeitig betreuen. Viele von ihnen hätten beteuert, vor kurzem noch einen Arbeitsplatz gehabt zu haben, so Bernhard Zepf, Sprecher des Sozialdienstes. „Bei einem Fall dachten wir tatsächlich: Das kann nicht wahr sein. Eine Frau, im fünften Monat schwanger, wurde am Sonntag abend festgenommen und mußte einen Tag und zwei Nächte in einer Zelle verbringen. Sie und ihr Mann beteuern, daß sie vor kurzem noch einen Arbeitsplatz hatten.“ Fast alle, so Zepf, „waren fassungslos angesichts der Umstände, unter denen sie gewissermaßen auf die Straße geschmissen wurden“.

Der Chef des Münchner Kreisverwaltungsreferats, Hans-Peter Uhl (CSU), kündigte weitere Abschiebungen an: Wie die Deutschen aus dem Sudetenland, Schlesien und Pommern könne auch nicht jeder Bosnier in sein Haus zurückkehren. Auch der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Zeitlmann, begrüßte die Aktion: „Drohende Abschiebungen erhöhen die Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr.“ Die grüne Landtagsabgeordnete Irene Maria Sturm forderte ein Ende der „herzlosen Deportationspolitik“.

In Bosnien lehnen die meisten Politiker die Abschiebungen ab. So geht der stellvertretende Bürgermeister von Tuzla, Jasmin Imamović, davon aus, daß in seiner Stadt keine neuen Flüchtlinge aufgenommen werden können. 500 freiwillige Rückkehrer aus Deutschland mußten bereits abgewiesen werden. Auch in der Stadt Bijeljina im serbisch besetzten Teil, aus dem gut ein Viertel aller derzeit in Berlin lebenden Flüchtlinge stammt, wollen die Behörden nichts von den Abgeschobenen wissen: „Wir müssen uns zuerst um unsere eigenen Probleme kümmern“, sagte Bürgermeister Dragomir Ljubojević, „nicht ein Zimmer ist bei uns frei.“

Auch die deutsche Botschaft in Sarajevo steht den Abschiebungen skeptisch gegenüber: Das von Innenminister Kanther (CDU) anvisierte Ziel, 1997 100.000 Flüchtlinge abzuschieben, hält Thorsten Keiler vom Flüchtlingsreferat der Botschaft in Tuzla für unrealistisch. „In dieser geplanten Größenordnung wird der Zuzug von Flüchtlingen zu Instabilitäten führen“, sagte er der taz. Keiler geht davon aus, daß Bosnien höchstens 60.000 Flüchtlinge aus Deutschland in diesem Jahr vertrage. Felix Berth/Julia Naumann

Tagesthema Seite 3