Spieler als Verkaufsschlager

Sportstadt Berlin (Teil 5): Sponsoring ist gern gesehen, und selbst in der Fußball-Landesliga ist die „Spende“ für die Spieler keine Seltenheit. Der Basketball profitiert vom Engagement des Müllkonzerns Alba  ■ Von Christine Berger

Selim* ist ein ganz normaler Jugendlicher. Normal, das bedeutet, daß er adidas- Trainingshosen trägt, natürlich an den Beinen aufknüpfbar. Geht der Weddinger Schüler aus der Wohnung, setzt er – was sonst? – eine Baseballkappe auf. Die fällt ihm nur im Ausnahmefall vom Kopf, dann nämlich, wenn er beim Streetball mal wieder erfolglos den Dunking versucht, den perfekten Wurf in den Korb.

Seit drei Jahren ist der 14jährige dem Streetball verfallen und quasi zeitgleich auch dem Modelabel adidas.

Das hat vor allem mit dem adidas-Streetball-Challenge zu tun, einem Streetball-Turnier, an dem sich bis zu tausend Teams beteiligen. In diesem Jahr organisiert der Sportartikelhersteller den Challenge zum vierten Mal in Berlin, das Interesse daran ist ungebrochen. Selim war bei den letzten Turnieren immer dabei, und auch dieses Jahr wird er wieder hingehen. Warum? „Streetball ist geil“, mehr will er dazu nicht sagen.

So was hören die Marketingstrategen von adidas gern, schließlich ist Streetball in deutschen Landen ohne adidas nichts, und wahrscheinlich hätte sich auch am einst angestaubten Image der Firma nicht viel geändert, wenn man sich nicht Streetball als Zugpferd vor den Karren gespannt hätte.

Mittlerweile verfügen die Trendsetter im fränkischen Herzogenaurach über ein ordentliches Event-Budget und investieren längst nicht mehr nur in Streetball, um die Kids werbemäßig zu erreichen. Um die Berliner Gören bei Laune zu halten, veranstaltet die Company im September ein Kleinfeld-Fußball-Turnier, den DFB- Fußball-adidas-Cup.

Zur Endrunde wird die Deutsche Nationalmannschaft anwesend sein, was zur Popularität des von adidas gepuschten Vier-gegen-vier-Fußballs erheblich beitragen dürfte.

Adidas, Coca-Cola oder Nike: es gibt kaum eine Firma in Deutschland, die sich nicht dem Sport-Sponsoring verschrieben hätte. Gerade Berlin gilt unter Marketingstrategen als günstige Stadt, um den Kids neue Sportarten schmackhaft zu machen. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Spielregeln so einfach wie möglich zu gestalten.

„Die Kinder sollen Spaß haben und möglichst viele Tore schießen“, beschreibt Oliver Brüggen von der adidas-PR-Abteilung die Quintessenz. Daß sportliche Jugendliche auch ein sportliches Outfit brauchen, ist für seine Firma ein kleiner, aber äußerst wichtiger Nebeneffekt.

„Einen Trend zu schaffen ist interessant, weil man von Anfang an dabei ist und nicht erst Jahre später als Co-Sponsor auftritt“, so Andreas Gutt von der Event-Agentur OCI in Köln.

Gutt, der mit seiner Agentur auch dieses Jahr wieder das Coca- Cola Kick-Tennis-Turnier in Berlin organisiert, schaut optimistisch in die Zukunft: „Wo Sport ist, ist Coca-Cola, das war schon immer so.“ Also hat sich der Getränkekonzern ebenfalls eine Sportart ausgeguckt, mit der sich Kasse machen läßt.

Nicht jeder, der Streetball spielt, interessiert sich auch für Basketball. Aber immerhin hat die adidas-Mission im Streetball die verwandte Sportart ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Mittlerweile ist auch Basketball so beliebt, daß einige Vereine sogar Aufnahmestopps verfügen mußten.

Das dürfte auch ein Verdienst des Dreamteams Alba sein, das zeitgleich mit dem Streetball-Fieber einen wundersamen Senkrechtstart in der Basketball-Bundesliga verzeichnete.

Seit 1990 nennen sich die Spitzensportler nach ihrem Sponsor, der Recyclingfirma Alba. Wurde die Verbindung zwischen Basketball und Müllunternehmen anfangs noch belächelt, steht Alba mittlerweile in der Beliebheitsskala der Berliner Sportfans ganz weit oben. Die Spiele in der Max- Schmeling-Halle mit rund 8.500 Plätzen sind fast immer ausverkauft.

Der Marketingleiter der Recyclingfirma, Norbert Mielke, ist hoch zufrieden mit der Ehe zwischen Sport und Unternehmen. „Viele fragen uns: ,Was hat Basketball mit Entsorgung zu tun?‘, dabei ist es ganz einfach: Schnelligkeit, Teamgeist und Erfolg sind bei beidem zu finden.“ Rund drei Millionen Mark investiert Alba pro Saison in das Spitzenteam, ganz abgesehen von der ideellen Unterstützung.

„Es genügt nicht, einem Verein einen Betrag zur Verfügung zu stellen, und damit Schluß“, glaubt Mielke. Sportinteresse in der Firma sowie der gute Kontakt zur Mannschaft seien ebenso wichtig. Daß Alba auch in die Nachwuchsförderung investiert, zeigt, daß sich die Firma auf ihrem Imagegewinn nicht ausruht. Die Jugendmannschaft des TUS Lichterfelde, wo der Nachwuchs für Alba trainiert, spielt ebenfalls oben mit, immerhin in der 2. Bundesliga.

Neben Alba gibt es nur wenige Berliner Firmen, die in der Lage sind, Profimannschaften zu sponsern. „Die meisten können vielleicht 20.000 bis 50.000 investieren, aber keine Millionenen“, so Dieter Bothe vom Landessportbund. Im Vergleich zu anderen Städten sei das Sponsorenengagement an der Spree gering.

„Außer Alba kommt an großen Firmen eigentlich nur noch Schering in Betracht, aber die investieren lieber in den eigenen Betriebssport.“ Bothe sieht das Problem darin, daß die Entscheidungsbefugten von Sponsoring-Etats nicht ihren Sitz in Berlin haben. „Das ändert sich vielleicht, wenn die Regierung umzieht und auch mehr Firmen in die Stadt kommen.“ Bis dahin aber fließt das Geld knapp im Berliner Sport.

So leben viele Vereine eher von der Großzügigkeit kleinerer Firmen, die ihr Geld in Bandenwerbung oder Trikotdesign anlegen. Begehrt sind auch mit Geld verbundene Auszeichnungen für erfolgreiche Jugendarbeit oder sportliche Leistungen.

So verleiht die Dresdner Bank alljährlich zusammen mit dem Deutschen Sportbund das Grüne Band. 10.000 Mark, ein Händedruck und ein Pokal erwarten die Glückspilze aus dem Amateursport, wenn die Jury ihre Auswahl getroffen hat.

Dieses Jahr kamen unter anderen die jungen Eiskunstläufer des SC Berlin in den Genuß des Geldregens. Sie gewannen in den letzten zwei Jahren fünf Deutsche- Meister-Titel, über zwei Drittel der Vereinsmitglieder sind Kinder und Jugendliche.

Doch mit Preisgeldern kann niemand regelmäßig rechnen, und oft entscheidet das Vereinsbudget, ob man sich den Aufstieg in die Bundesliga leisten kann oder nicht. So kostet eine Volleyballmannschaft in der höheren Liga immerhin rund einhunderttausend Mark pro Saison.

Gerade Sportarten, die nicht im Trend liegen, haben Schwierigkeiten, das Geld über Sponsoring aufzutreiben. „Wenn du eine Sportart machst, die keinen interessiert, dann bist du Amateur“, bringt es ein Insider aus dem Sportbund auf den Punkt.

Daß gerade im Fußball Geld selbst in der Landesliga an die Spieler fließt, ist allerdings durchaus üblich, und nicht nur dort geht das Sport-Sponsoring manchmal auf recht krummen Wegen vor sich. So kam im letzten Jahr der Leichtathletikverein LAC Halensee in die Schlagzeilen, weil Sportwart und Schatzmeister, die gleichzeitig leitende Angestellte des Schöneberger Bauamts waren, die Auftragsvergabe von einer Spende für ihren Verein abhängig gemacht hatten.

Wie verheerend es sein kann, wenn Busineß-Menschen ihre Finger nach dem Sport ausstrecken, zeigt derzeit das Eishockeyteam Capitals. Dort witterte Manager Axel Banghard das große Geld, ließ sich zum Präsidenten des ehemaligen Stammvereins der Capitals, des BSC Preußen, wählen und sah sich flugs als Herr über die Dauermieter seiner geplanten Eissporthalle, eines 130-Millionen- Mark-Projekts, an dem er schon seit geraumer Zeit bastelt.

Daß der Stammverein Konkurs anmelden mußte, weil Banghard die erfolgreiche Eishockeymannschaft geschickt aus dem Club herauslöste, nahm der achselzuckend in Kauf.

Doch Banghard hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Der clevere Schachzug des Schwaben schlug in der Öffentlichkeit so hohe Wellen der Empörung, daß dem Eishockeyteam reihenweise die Fans abhanden kamen. In der Meisterschaftsrunde schnitten die Capitals schlecht wie schon lange nicht mehr ab.

Da geht es den Profikollegen vom Fußball schon besser: Das millionenschwere Engagement des Medienkonzerns Bertelsmann bei Hertha BSC hat dem Zweitligisten sichtlich gutgetan. Statt jahrelanger Abstiegsaussichten winkt dem Verein, dem in Berlin wegen der Kette von Vereinsskandalen und sportlichen Berg-und-Tal-Fahrten eine Haßliebe weiter Bevölkerungsteile entgegenschlägt, nun der Aufschwung in die große Welt der 1. Fußball-Bundesliga.

Weil Aufstiegsmitkonkurrent Kaiserslautern am Dienstag abend gegen Mainz nur ein torloses Unentschieden zustande brachte, steht Hertha seit gestern erstmalig auf Platz eins der Tabelle der zweiten Bundesliga.

* Name geändert