Die Schmuddelkinder aus Hamburg enttäuschen ihre Berliner Eltern

■ Trotzig wird die PDS zur Bürgerschaftswahl antreten – gegen den strikten Willen von Gysi und der Parteizentrale

Berlin (taz) – Das Votum fiel mit 26 Ja- gegen 23 Neinstimmen bei drei Enthaltung denkbar gering aus: Die PDS wird sich am 21. September bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen um Wählerstimmen bemühen. Die Abstimmung fand unter großer Anteilnahme der Mitgliedschaft statt: Der Hamburger PDS-Landesverband zählt 250 Mitglieder.

Dennoch ist man in der Berliner PDS-Zentrale im Karl-Liebknecht-Haus mehr als verschnupft über diese renitente Basis – man hatte ihr Wochen zuvor dringend von einer Kandidatur abgeraten. Gregor Gysi beschwor die Hamburger: „Wir können uns keinen Mißerfolg erlauben.“ So schäumte ein Funktionär später: „Wenn wir die jetzt nicht rausschmeißen, wann dann?“ Ein anderer verfiel ob der großen Wahrscheinlichkeit, ein desaströses, die Bedeutungslosigkeit belegendes Wählervotum zu erringen, in religiöse Stimmung: „Welche Macht will uns mit diesen Mitgliedern heimsuchen?“ Die Bonner PDS-Parlamentarierin Ulla Jelpke meinte: „Ich bedaure diesen Beschluß sehr.“ Das Tischtuch zwischen den siegreichen Mitgliedern vom Wochenende und der PDS-Zentrale in Berlin scheint zerschnitten. Geld soll der Hamburger Landesverband keinesfalls zur Wahlkampfhilfe erhalten.

Gregor Gysi ließ intern verlauten, für Auftritte vor den Bürgerschaftswahlen nicht zur Verfügung zu stehen. Die Mehrheit der Hamburger PDS kümmert das wenig: Gregor Gysi, Parteichef Lothar Bisky, André Brie und die anderen „Reformisten“ (O-Ton der PDS aus Hamburg) gelten an der Elbe eh nur als nützliche Trottel des Kapitals. PDS-Landessprecherin Kirsten Radüge sagt denn auch nur kühl: „Wir finanzieren unsere politischen Aktivitäten allein.“ Warum sie überhaupt für die Wahlteilnahme plädierte, beantwortet sie unumwunden: „Um nicht den Rechten das Feld zu überlassen.“ Sie meint damit auch die Grün-Alternative Liste, denn die wolle nur die „herrschenden Verhältnisse verbessern“ und nichts mehr grundsätzlich in Frage stellen. Wahlprognostiker geben der PDS in Hamburg bestenfalls 0,3 Prozent. Für die Politiker in der Berliner PDS-Zentrale wäre dies rufschädigend: „Wie sollen wir für die PDS bei den Bundestagswahlen im kommenden Jahr werben, wenn sie schon dieses Jahr ein trauriges Bild abgibt?“

Die Hamburger PDS, die 1993 noch auf eine Wahlbeteiligung verzichtete, gilt als Sorgenkind der Gesamtpartei. Ihre Delegierten auf dem Schweriner Bundesparteitag im Januar ernteten meist nur peinlich betretenes Gemurmel, wenn sie sich zu Wort meldeten. Ein Stöhnen gehe durch den Raum, wenn man auf PDS-Veranstaltungen im Osten den Hamburger Landesverband erwähne, hat Gregor Gysi beobachtet.

Dahinter mag sich auch eine Abneigung gegen weitschweifige Diskussionen verbergen. In Hamburgs PDS tummeln sich vorwiegend Mitglieder aus studentoidem Milieu, die, so weiß André Brie, weder über kommunalpolitische Anbindungen verfügen noch geeignet seien, ein Bild der PDS schlechthin zu repräsentieren. „Das einzige Motiv, was von denen bei der letzten Wahl auf Plakaten gezeigt wurde, drehte sich um die RAF.“ Nicht nur das allein empfindet der Parteireformer als zuwenig, um „im Westen anzukommen“.

Am 7. April werden weitere Entscheidungen getroffen. Ein Antrag, die PDS-Ausdehnung gen Westen für gescheitert zu erklären, liegt noch nicht vor. Jan Feddersen