Politprominenz gegen Abschiebung

■ Einigkeit von Geißler bis Genscher: Abschiebepraxis für bosnische Flüchtlinge muß radikal korrigiert werden

Berlin (taz/AP) – Erbarmen mit den bosnischen Flüchtlingen: Eine Riege prominenter liberaler, christdemokratischer und sozialdemokratischer Politiker hat an die Bundesländer appelliert, „Auswüchse bei der Abschiebung“ zu stoppen. Mit den jüngsten Aktionen, so Ignatz Bubis (FDP), Heiner Geißler (CDU), Hans-Dietrich Genscher (FDP), Hans Koschnick (SPD) und Christian Schwarz-Schilling (CDU), sei „eine Grenze überschritten, die sich das Menschenrechten verpflichtete Nachkriegsdeutschland zu Recht gesetzt hat“.

Der evangelische Landesbischof von Bayern, Hermann von Loewenich, hatte schon zuvor die gnadenlos akkurate Weise, in der nicht nur das Bundesland Bayern den Beschluß zur sogenannten Rückführung der bosnischen Kriegsflüchtlinge seit kurzer Zeit umsetzt, angeprangert. Der Kreuzestod Jesu, sagte er am Karfreitag, „verpflichtet Christen, ihre Stimme für die Gefolterten, Geschändeten und Ausgestoßenen“ zu erheben. Für ihn sei es „persönlich belastend“, daß ausgerechnet am Ende der Passionszeit „unbescholtene Sozialhilfeempfänger nach Sarajevo abgeschoben“ worden seien.

In der Erklärung von Bubis, Koschnick, Schwarz-Schilling, Geißler und Genscher heißt es, man sei sich zwar „darüber einig“, daß „an der Rückkehr der bosnischen Kriegsflüchtlinge kein Weg vorbeiführt“. Doch die gegenwärtige Abschiebepraxis halten sie für ein „Zeichen, daß das Wohl der Rückkehrer und das internationale Interesse der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend oder gar nicht berücksichtigt sind“. Nun bedürfe es einer „klaren Korrektur“.

Besonders störte die Politiker, daß in der vorigen Woche teilweise Flüchtlinge nachts aus ihren Betten geholt worden waren und sie nur wenige Minuten Zeit zum Packen ihrer Habseligkeiten hatten. Viele Flüchtlinge seien in Abschiebehaft genommen worden, darunter eine im fünften Monat schwangere Frau und ein herzkranker Mann. Neun der 44 am Mittwoch Abgeschobenen mußten zunächst im Transitzentrum von Sarajevo Zuflucht nehmen: Es sind nichtserbische Bosnier, die aus dem nun strikt serbischen Teil des Landes stammen. Sie fürchten – Lageberichte des Auswärtigen Amtes in Bonn stützen diese Angst –, dort als Minderheit verfolgt zu werden. Ein Drittel der noch 330.000 in der Bundesrepublik lebenden Kriegsflüchtlinge stammt aus dem Gebiet des serbischen Bosnien („Srpska“).

Thüringen und Rheinland-Pfalz wollen bis auf weiteres Abschiebungen von bosnischen Familien sowie Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern serbischer Herkunft zurückstellen. Richard Dewes (SPD), Innenminister Thüringens, plädierte für eine erneute Beratung der Innenministerkonferenz unter Beteiligung des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) und des Auswärtigen Amtes.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) verteidigte seine harte Linie in der Rückführungsfrage: „Deutschland ist nicht ihre Heimat.“ Die Zahlung von Rückkehrbeihilfen wie in Nordrhein- Westfalen lehnte er ab: Dafür gebe es „keine Rechtsgrundlage“. Nach Schätzungen des UNHCR sind seit Anfang 1996 fast 50.000 Flüchtlinge freiwillig nach Bosnien zurückgekehrt. JaF