■ Scheibengericht
: Maria Kalaniemi

Iho (Hannibal / Rykodisc HNCD 1396)

Argentinien ist nicht das einzige Land, wo der Tango den Rang eines Nationaltanzes besitzt. Auch Finnland steckt im Tangofieber. Dort ist eine eigenständige Spielart des lateinamerikanischen Tanzes entstanden, bei dem nicht das Bandoneon, sondern das Akkordeon die Gefühle aufwühlt. Maria Kalaniemi ist eine Musikerin aus Helsinki, die den finnischen Tango in ähnlicher Weise transformiert hat wie Astor Piazzolla den „Tango Nuevo“: von einem Volksmusikstil in eine hochkultivierte Kunstmusik.

Kalaniemi verbindet auf originelle Weise alte und neue Folklore mit zeitgenössischen Sounds aus Jazz und E-Musik zu einer ausdrucksstarken Klangsprache. Neben eigenen Kompositionen, die melodisches Gespür verraten, und Bearbeitungen von Polkas und einem Brautmarsch bildet ein Stück des argentinischen Tangokönigs Carlos Gardel das Herzstück der Platte. Es zeugt von der Ansicht, eine Schicht tiefer nach den eigentlichen Quellen zu graben. Dabei ergeben sich vielfältige Überschneidungen. Über die Klangverwandtschaft von Akkordeon und Bandoneon hinaus, sorgt das schlagzeuglose Ambiente für eine kammermusikalische Intimität, die den Intentionen zeitgenössischer Tangointerpretationen recht nahekommt. Seine Tangorevolution hat Astor Piazzolla in den fünfziger Jahren Morddrohungen eingebracht, Maria Kalaniemi bisher nur eine Berufung an die Sibelius Akademie.