■ Mit polaren AKW auf du und du
: Leben nach dem Tode

Murmansk (taz) – Die Reaktoren des auf der nordrussischen Kola-Halbinsel gelegenen Atomkraftwerk von Poljarnyje Zori sollen wesentlich länger in Betrieb bleiben als bislang vorgesehen. Laut einem Bericht der Zeitung Murmasnk Vestnik sind von der russischen Regierung alle Pläne von Investitionen in Ersatzenergiequellen mangels finanzieller Mittel auf Eis gelegt worden. Seit längerem war geplant, die beiden alten Reaktoren vom Typ WWER 440-230 nach Ablauf ihrer auf 30 Jahre berechneten Lebensdauer in den Jahren 2003 und 2004 abzustellen. Realistisch wäre dies nur, wenn unmittelbar mit der Planung und dem Bau von Ersatzenergiequellen begonnen würde.

Laut Aleksandr Polozok, Vorsitzender des Energiekomitees der Regionalverwaltung des Gebiets von Murmansk, hatte man zwei unterschiedliche Energieszenarien erarbeitet. Das erste geht davon aus, daß die Metallindustrie des Gebiets – diese steht für 60 Prozent des Elektrizitätsbedarfs –, vor allem die umweltverschmutzenden Nickelschmelzwerke, mangels Marktchancen nach der Jahrtausendwende stillgelegt würden. Dann bedürfe es keiner Ersatzinvestitionen. Würden diese Industrien aber auf jetzigem Stand weiterproduzieren, war die Teilabschaltung von Poljarnyje Zori und dessen Ersatz durch zwei neue Atomreaktoren als unumgänglich angesehen worden. Nachdem die bis zu acht Milliarden Mark teure Fertiggstellung des AKW Kola II von Moskau zu den Akten gelegt worden sei, bleibe nur ein Weiterbetrieb des altersschwachen AKW Kola I. Die Regionalverwaltung hoffe nun zumindest auf die Verwirklichung eines aberwitzigen Alternativplans: dem Bau eines unterirdischen AKW auf dem Gebiet der ehemaligen Marinewerft von Snezjnogorsk. Vier vom Kyrlow-Institut in St. Petersburg aus Atom-U-Boot-Konstruktionen weiterentwickelte „Billig“-Reaktoren sollen in je 80 Meter langen, unterirdischen Tunneln plaziert werden, einen elektrischen Effekt von zusammen 300 MW und einen Wärmeeffekt von 700 MW haben und „nur“ 500 Millionen Mark kosten: Kostspielige Schutzbauten sollen wegen der unterirdischen Plazierung entfallen. rw