Rührung, Angst und Steifheit

■ Müde Weggefährten ist ein Episodenfilm über Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien

„Alles habe ich im Krieg verloren“, sagt die junge Frau zur Mutter mit Baby. Beide sitzen im Bahnhofsgebäude an der serbisch-ungarischen Grenze fest – gescheitert beim Versuch, aus dem Kriegsgebiet zu entkommen. Seit drei Tagen hat die eine nicht mehr gegessen, der jungen Mutter aber schießt die Milch über. So trinkt die Frau schließlich an der Brust der Stillenden.

Mit dieser anrührenden Szene endet die erste von fünf lose miteinander verknüpften Episoden des Spielfilms Müde Weggefährten. In lakonischen Bildern, die ohne Pathos und Schuldzuweisungen auskommen, erzählt der seit 1991 in Berlin lebende kroatische Regisseur Zoran Solomun Bruchstücke aus dem Schicksal von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien.

Der 1997 mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnete Film schildert ihre Ankunft bei Nacht und Nebel in Deutschland, ihre Konfrontation mit einem Medienbetrieb, der auf Erstmeldungen fixiert ist, aber mit dem Nachlassen der Sensation auch das Interesse verliert, und schließlich ihre teils ängstlich, teils optimistisch erwartete Rückkehr in die zerstörte Heimat.

Auch in der Fremde werden Feinde nicht zu Freunden. Christen und Muslime, Kroaten und Serben, Deserteure und „Gastarbeiter“stoßen voller Mißtrauen und Unverständnis aufeinander. Doch leider wirken manche dieser Begegnungen allzu konstruiert, die meisten Personen bleiben eher schablonenhaft und auch die Gespräche wirken vielfach sehr stark stilisiert – nur die beiden Frauen aus der ersten Episode durchbrechen diese merkwürdige Steifheit.

Der fragmentarische Charakter wurde vom Regisseur bewußt als Parallele zur Situation der Flüchtlinge gewählt: „Das Bild, das sie von sich selbst haben, löst sich auf. Nicht nur ökonomisch und sozial verlieren diese Menschen den Boden unter den Füßen, sondern sie müssen erkennen, daß ihre gesamte Existenz als Person in Frage gestellt ist.“

So ist das eigentliche Thema von Müde Weggefährten das der Identität und wie man sie in extremen Situationen wie Krieg und Flucht aufrechterhalten oder neu konstituieren kann. In der letzten Episode kehrt eine bosnische Familie freiwillig in ihre Heimat zurück. 1996, als der Film fertiggestellt wurde, waren Zwangsabschiebungen – die „lediglich nur zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr“dienen, wie der bayerische CSU-Innenminister Günther Beckstein kürzlich in vollster Arroganz der Macht im ZDF verkündete – noch nicht bittere Realität.

Karin Liebe

Ab 3. April im 3001-Kino; am 5. April ist der Regisseur bei der Vorführung anwesend.