: Versöhnliche Begegnung in Gjirokaster
■ Italiens Ministerpräsident Prodi zu Kurzbesuch bei seinem albanischen Kollegen Fino im Zentrum der Aufstandsbewegung. Internationale Eingreiftruppe der OSZE soll in spätestens 14 Tagen bereitstehen
Rom/Vlora (AFP/AP/taz) – Italien und Albanien haben gestern versucht, die Spannungen der vergangenen Tage beizulegen und den Einsatz der internationalen Schutztruppe unter italienischem Kommando vorzubereiten. Nach einem Treffen mit seinem italienischen Kollegen Romano Prodi im südalbanischen Gjirokastär erneuerte der albanische Regierungschef Bashkim Fino seine Bitte um die Entsendung einer Schutztruppe. Weiter sagte er, Rom habe eingewilligt, den Familien der Opfer des Schiffsunglücks finanzielle und technische Hilfe zu leisten. In Brindisi flaggten italienische und albanische Schiffe auf halbmast, um der vermutlich mehr als 80 Opfer der Schiffskatastrophe vom Wochenende zu gedenken. Nach dreiwöchiger Unterbrechung wurde der Fährverkehr zwischen Italien und Durräs wiederaufgenommen.
Fino, der am Vortag die Auflösung des gefürchteten Geheimdienstes Shik bekanntgegeben hatte, sagte, was passiert sei, sei „eine Tragödie“, aber keine Krise. Albanien sei bereit, die Schutztruppe zu empfangen, nun dürfe keine Zeit mehr verloren werden. Prodi gab zunächst keine Erklärung ab. Er war am Morgen zu einem Blitzbesuch in den von Aufständischen kontrollierten Süden Albaniens geflogen. Wegen der antiitalienischen Stimmung in Albanien wurde Prodi bei seinem Besuch in Gjirokastär von 40 schwerbewaffneten Soldaten einer Spezialeinheit begleitet. Die mehrheitlich von Griechen bewohnte südalbanische Stadt ist eines der Zentren der Aufstandsbewegung gegen Präsident Sali Berisha. Nach seiner Rückkehr nach Rom sprach er mit dem Chef der OSZE-Mission für Albanien, dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky. Vranitzky sagte nach Beratungen von Militärexperten in Rom, er hoffe, die von Italien geführte, 5.000 Mann starke Schutztruppe sei in zehn bis 14 Tagen einsatzbereit. Neben Italien und Frankreich sind auch Griechenland, Spanien, Portugal, Rumänien und die Türkei bereit, sich zu beteiligen. Am Nachmittag wollte Prodi vor dem Parlament zur Krise in Albanien Stellung nehmen.
Fino flog zu einem zweitägigen Besuch nach Griechenland. Dort will er heute neben griechischen Regierungsvertretern auch OSZE- Vermittler Vranitzky sowie den niederländischen Außenminister Hans van Mierlo treffen.
In Brindisi trafen der italienische Verteidigungsminister Beniamino Andreatta und sein albanischer Kollege Shakir Vucaj mit hochrangigen Vertretern der italienischen Marine zusammen. Anschließend besuchten sie Überlebende der Katastrophe. Vucaj überbrachte ihnen eine Solidaritätsbotschaft.
Im westalbanischen Durräs legte gestern morgen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen das griechische Schiff „Illyria“ an, das am Vorabend in Brindisi gestartet war. Wie Korrespondenten berichteten, gingen rund 80 Menschen von Bord. Etwa 100 Reisende wurden aufgenommen, darunter die albanische Juniorenfußballmannschaft, die in Neapel ein Spiel gegen Deutschland bestreiten wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen