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Das Managerzucht-Haus

Die Handelshochschule Leipzig ist die erste Privathochschule der neuen Länder. Sachsen fördert die Eliteschmiede für künftige Manager kräftig■ Von Imke Henkel

Politik setzt Akzente. Ein Beispiel ist derzeit in Leipzig zu besichtigen. Im vergangenen Jahr beschloß der sächsische Staat, seinen Hochschulen 775 Stellen zu streichen. Ebenfalls 1996, am 1. Februar, begann die neugegründete Leipziger Handelshochschule mit ihren Vorlesungen. 25 Millionen Mark steuerte Biedenkopfs Haushalt zu der Neugründung bei. Die Privathochschule hat sich dieses Geld zunächst als Reserve zurückgelegt. Wenn sie es innerhalb der nächsten 25 Jahre nicht braucht, will sie es dem Staat zurückzahlen – zinslos. Ihr Startkapital von noch einmal 25 Millionen Mark sammelte sie bei Sponsoren der Privatwirtschaft.

„Ich will“, sagt Ludwig Trippen, Gründer und erster ehrenamtlicher Präsident der Handelshochschule, „nicht in die Lage der Privatuniversität Witten-Herdecke kommen und eines Tages bitte, bitte bei der Landesregierung machen müssen.“ Der sächsische Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU) sieht das Geld zwar nur als Notanker: „Der zinslose Kredit bedeutet nicht mehr als das Versprechen des Finanzministers, wenn's brennt 25 Millionen Mark auf den Tisch zu legen.“ Für Gründervater Trippen bedeutet dies jedoch die Versicherung, daß selbst bei einem Regierungswechsel die Privathochschule erst einmal nicht um ihre Existenz bangen muß. Die 25 Millionen sind bewilligt, das Parlament hat seitdem nicht mehr mitzureden. Konrad Schily, der Präsident von Witten-Herdecke, dürfte blaß werden vor Neid.

Anders als Nordrhein-Westfalen setzt die sächsische Hochschul- und auch die Wirtschaftspolitik auf die Privatgründung in Leipzig. Meyer: „Die Handelshochschule war eine Chance, die man nur jetzt wahrnehmen konnte: Der Name und die Geschichte waren eine Chance.“ Name und Geschichte sind ein Geschenk: 1898 wurde in Leipzig die erste Handelshochschule Deutschlands eröffnet, ein Datum, das zugleich Gründungsdatum der modernen Wirtschaftswissenschaften ist. Nach 1989 wurde die Handelshochschule geschlossen, ihr Name jedoch im sächsischen Hochschulstrukturgesetz geschützt. So ist die Gründung der ersten Privathochschule in den neuen Ländern zugleich eine Wiedereröffnung. In dem 1952 errichteten neobarocken Gebäude im Nordosten Leipzigs – zu DDR- Zeiten residierte hier die elitäre Deutsche Hochschule für Körperkultur – wird seit dem vergangenen Februar ein exklusiver Kreis von Studierenden ausgebildet. Gerade mal 20 wurden unter 500 Interessenten für den ersten Jahrgang ausgewählt, von denen immerhin 43 alle formalen Voraussetzungen erfüllten. In den folgenden Jahrgängen wurden schon mehr Studierende aufgenommen. Wenn alle vier Jahrgänge des Studiums komplett sind, sollen 250 Studierende von acht Professoren und zahlreichen Gastdozenten unterrichtet werden. Jeder Studentin und jedem Studenten steht ein Computer mit Internetanschluß zur Verfügung. Die Bibliothek hat rund um die Uhr geöffnet.

Die traumhaften Studienbedingungen haben ihren Preis: 12.000 Mark kostet ein Jahr an der Handelshochschule. Vielversprechender Nachwuchs ohne vermögende Eltern kann von der Gebühr befreit werden. Die besten Absolventen bekommen das Geld nach ihrem Studium zurück. Und: Die Hochschule wählt sich ihre Studenten selbst aus. „Wir suchen nicht unbedingt die Besten aus“, meint Präsident Trippen. „Aber die für uns Geeignetsten. Wir wollen Praktiker.“ Wer an der Handelshochschule studieren will, muß anderswo bereits ein wirtschaftswissenschaftliches Grundstudium überdurchschnittlich erfolgreich abgeschlossen haben. Verlangt werden außerdem gute Englischkenntnisse. In Auswahlgesprächen prüfen Professoren der Handelshochschule und sechs praxiserfahrene Manager, wer verspricht, das Zeug zum Nachwuchsunternehmer zu haben.

Die Leipziger Handelshochschule will künftige Manager ausbilden. Entsprechend praxisorientiert ist die Ausbildung. Ein gemeinschaftliches Projekt und ein Praktikum, bei dem jede Studentin und jeder Student ein eigenes Projekt durchführt, gehören zum Standardlehrplan. Die Studierenden können außerdem ein Semester an einer Partnerhochschule im Ausland studieren. Der Stundenplan ist dicht gedrängt.

„Das ist eine Eliteausbildung“, gibt Ludwig Trippen unumwunden zu. Die Geförderten selbst jedoch ziehen bei dem Wort „Elite“ die Stirn kraus. Heike Renker, gebürtige Leipzigerin, lehnt das Wort für sich ab: „Wir wollen zwar qualitativ besser sein, aber andere deshalb nicht schlecht machen.“ Thomas Ruby, der nach einem Grundstudium in Freiburg im Breisgau sich erfolgreich in Leipzig bewarb, spricht lieber von Verantwortung: „Ich weiß, daß sehr viel in uns investiert wird. Aber andererseits wird auch sehr viel mehr von uns verlangt.“ Die hohen Studiengebühren betrachtet er als Investition in die Zukunft. Und das Geld, das der Staat zuschießt, während er an der benachbarten Universität Stellen streicht? „Ich hab' da kein schlechtes Gewissen“, meint Heike selbstbewußt. „Die Schule ist schließlich auch für das Land Sachsen wichtig und für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands überhaupt.“ Dem widersprechen nicht mal die Studierenden der staatlichen Universität. Obwohl sie im vergangenen Sommer gegen die Stellenstreichung an ihrer Hochschule protestierten, schwiegen sie doch zu der üppigen Ausstattung der privaten Handelshochschule. „Wir wollen nicht Studenten gegen Studenten auspielen“, meint Thorsten Schoman, Sprecher des StudentInnenRates.

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