Ostwerften sind eine müde Mark wert

■ Nach kompletter Modernisierung für 1,88 Milliarden Mark aus Steuergeldern sollen die Werften von Stralsund und Wismar zum symbolischen Preis von einer Mark auf dem internationalen Markt verkauft werden

Berlin/Wismar (taz) – Für eine Mark sind die Volkswerft Stralsund und die Meerestechnik Werft Wismar (MTW) zu haben. „Die Mark steht“, bestätigte ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums in Mecklenburg-Vorpommern gegenüber der taz. Bis Ende 1998 soll der Verkauf der beiden Ostwerften über die Bühne gehen. Bis dahin werden aus den einst maroden DDR-Klitschen die modernsten Werften Europas.

Mindestens 1,88 Milliarden Mark Steuergelder wird die Modernisierung der Volkswerft Stralsund und der MTW dann gekostet haben. Ein Kabinettsmitglied der Schweriner Regierung hatte die symbolische Summe im Dezember das erste Mal ins Spiel gebracht. Zu Ruhm war die Mark als Investition das letzte Mal 1986 gekommen. Der Berliner Großbäcker Horst Schiesser hatte für den Betrag die Neue Heimat übernommen, mußte sie aber kurz darauf wieder abgeben.

Die Ostseewerften haben eine leidvolle Vergangenheit. Zwischen 1992 und 1993 hatte sie der Bremer Vulkan Verbund von der Treuhand übernommen. Im Frühjahr 1996 brach der Vulkan zusammen. Und mit ihm dohten auch die Volkswerft und die MTW unterzugehen. Die Treuhand-Nachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) – eine Einrichtung des Bundesfinanzministeriums – war jetzt gefordert. Mit der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern gründete die BvS die Ostsee-Beteiligungsgesellschaft, um die Ostwerften aufzufangen. Zu 51 Prozent gehört die Gesellschaft der BvS und zu 49 Prozent dem Land.

Dabei hatte sich die Treuhand/BvS schon zuvor die Privatisierung und Modernisierung der Ostseewerften Millionen kosten lassen. „Unkontrolliert“ (Bundesrechnungshof) hatte die

Anstalt dem Bremer Vulkan allein 840 Millionen Mark ausgehändigt, um die Werften auf einen wettbewerbsfähigen Stand zu bringen. Am 3. April 1996 überwies die BvS die letzten 48,4 Millionen Mark für die MTW. Über eine Milliarde Mark hatte sie Ex-Vulkan-Chef Hennemann somit für Investitionen ausgehändigt. Der zweigte allerdings mindestens 854 Millionen ab, um seine Betriebe im

Westen zu sanieren. Drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse versuchen Licht in die Affäre zu bringen. Nachdem die 854 Millionen Mark „futsch“ (BvS) waren, rechnete die Anstalt mit einer weiteren Milliarde Mark, um die Modernisierung der Ostwerften nach ihrer erneuten Verstaatlichung abschließen zu können. In Stralsund und Wismar sollten bis Ende 1998 die modernsten Werften Europas entstehen. Dank der Steuermillionen kommen die Bauvorhaben auf den Werften gut voran. In Stralsund schweißen die Arbeiter seit Dezember in einer neuen Halle – mit 300 Meter Länge die größte Fertigungshalle auf einer europäischen Werft. In Wismar soll ab November das erste Schiff in dem 395 Meter langen Trockendock auf Kiel gelegt werden.

Es wundert daher nicht, daß „am laufenden Band Interessenten“ über die Werften gehen, wie Andreas Petters, Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Schwerin, sagt. Fast jede Woche schickt die mit der Suche beauftragte US-Investmentbank Goldman Sachs Kaufinteressenten. Kandidaten kommen aus Norwegen und Kanada. Bereits im Herbst 1996 hatte die BvS in Asien die Werften angeboten. Vor allem die südkoreanischen Mischkonzerne waren damals angetan von den High- Tech-Standorten und schickten Delegationen. „Die Interessenten sind sehr, sehr vorsichtig“, sagt Petters. Zu hart ist der Verdrängungswettbewerb, zu unabwägbar sind die Risiken der Weltschiffahrt in den kommenden Jahrzehnten. „Aber die Anzeichen sind positiv“, sagt Petters. Bei der BvS hält man sich wie üblich zurück. Eine Milliarde Mark hin, eine Mark her – über laufende Verhandlungen sprechen die Privatisierer nicht. Heinrich Hornef, bis Dezember 1996 Präsident der BvS, lächelte nur über die Mark. „Das wird man sehen.“ Ulrike Fokken Kommentar Seite 10