„Zonen-Bonus“für Totalverweigerer

■ Schon die vormilitärische Ausbildung in der 9. Klasse ist ihm verhaßt gewesen

Der Hamburger Totalverweigerer Matthias Templin ist am Freitag vom Amtsgericht Hamburg wegen Dienstflucht zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Richter Thomas Hinrichs setzte die Strafe für drei Jahre auf Bewährung aus. Er bescheinigte dem 27jährigen, vor Gericht „keine Show“abgezogen zu haben: „Sie sind kein Drückeberger, sondern ein Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Ich nehme Ihnen das ab.“Der Staatsanwalt hatte neun Monate auf Bewährung gefordert.

Templins Verteidigerin Gabriele Heinecke war mit dem vergleichsweise milden Urteil dennoch nicht zufrieden: „Das ist eine rechtwidrige Entscheidung. Leider wird das Verfassungsrecht nicht so eingehalten, wie es sollte.“Zuvor hatte die in Sachen Totalverweigerung erfahrene Anwältin in ihrem Plädoyer das Zivildienstgesetz (ZDG) als nicht vereinbar mit der im Grundgesetz verbrieften Glaubens- und Gewissensfreiheit dargestellt.

In der Verhandlung selbst ging es um banalere, aber nicht unwichtigere Dinge: Der aus der DDR stammende Templin erzählte von der verhaßten vormilitärischen Ausbildung in der 9. Klasse, als ihm befohlen worden war, „über den Platz zu robben, obwohl Arme und Beine schon aufgeschürft waren“. Die Weigerung hätte ihn fast die Lehrstelle als Binnenfischer gekostet. Es blieb aber beim „öffentlichen Tadel“und dem Verlust der Schulterstücke seiner Uniform.

Später habe er sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung mit Plakaten und Postkarten eingesetzt (“Frohes Schaffen ohne Waffen“), erzählte Templin. Er sei noch zu DDR-Zeiten als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden.

Nach der Wende zog Templin nach Hamburg. Dort wurde er erst nach mehreren Jahren zum Zivildienst einberufen. Den trat Templin aber gar nicht erst an. Seine Begründung vor Gericht: Zivildienstleistende sind in das Konzept der Gesamtverteidigung einbezogen und können im Verteidigungsfall zu einem unbefristeten Einsatz herangezogen werden. „Das hat mein Gewissen nicht zugelassen.“

Der Vortrag des wegen Dienstflucht (§§ 53 und 56 ZDG) angeklagten Templin beeindruckte den Richter nur bedingt. „Man muß aber strafmildernd berücksichtigen, daß Herr Templin aus der früheren DDR stammt.“ Volker Stahl