Ein Männlein steht im Walde...

Bald Ranger auch in Deutschland: Die arbeitsrechtliche Anerkennung des Berufs soll im Herbst erfolgen. Ranger bringen Geld ein  ■ Aus Neustrelitz Oliver Schilling

Hier in Neustrelitz gibt es Einwohner, die wissen gar nicht, daß vor ihrer Haustür ein Nationalpark liegt“, erzählt Bernd Luthmann. Der gelernte Elektriker arbeitet seit sechs Jahren im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern. Luthmann ist Schutzgebietsbetreuer. Zusammen mit seinen KollegInnen versucht er, die immer größer werdende Schar ausflugsbegeisterter Wanderer zu steuern, so daß für alle BesucherInnen noch genug unbeschadete Natur übrigbleibt. Die BetreuerInnen stecken Wege ab, organisieren Führungen, planen Unterrichtseinheiten für SchülerInnen, entfernen Müll und kümmern sich um bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Luthmann hatte den Job kurz nach der Wende bekommen. Sein Glück: Das 318 Quadratkilometer große Areal vor den Toren von Neustrelitz war zum Nationalpark erklärt worden. Wie viele Landstriche in den neuen Bundesländern ist das Gebiet an der Südgrenze von Mecklenburg-Vorpommern in den letzten 40 Jahren forstwirtschaftlich kaum genutzt worden. Seltene Tier- und Pflanzenarten konnten sich halten. Von den mittlerweile zwölf Nationalparks in Deutschland sind allein sechs seit 1990 auf dem Gebiet der neuen Länder gegründet worden. „Die Vorreiterrolle in diesem Bereich ist eindeutig von den neuen Ländern eingenommen worden“, so Jan Brockmann, Projektleiter der Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF).

Seit das Bonner Landwirtschaftsministerium (BML) und auch die Länder erkannt haben, daß sich durch die Pflege der Naturschutzgebiete auch der Fremdenverkehr ordentlich ankurbeln läßt, werden eifrig Pläne geschmiedet. Die lukrativen Einnahmen sollen langfristig gesichert werden, denn die Naherholungsbranche gehört mit prognostizierten 15 Prozent realem Wachstum innerhalb der nächsten zehn Jahre zu den aussichtsreichsten Branchen gerade auch im darbenden Osten.

Auf 29 Millionen Mark beziffert der WWF den Nutzen, der allein im Biosphärenreservat Schorfheide nördlich von Berlin jährlich durch den Einsatz von NaturgebietsschützerInnen realisiert werden könnte. Dazu gehören Einsparungen durch die Pflege und Instandhaltung von Wegen, vermiedene Schäden, weil BesucherInnen aufgeklärt werden; vor allem aber wird der Erholungswert des Biosphärenreservats, der durch Informationsstellen, Besichtigungspunkte, Führungen und Aufklärungsarbeit noch erhöht.

Die Ranger sind für die TouristInnen da, in erster Linie aber für den Erhalt der Natur. Oft sei es gar nicht die Böswilligkeit der hunderttausend AusflüglerInnen, sondern schlicht die Unkenntnis über das richtige Verhalten, die wertvolle Naturnischen zerstöre, erklärt Gordon Miller von der International Rangers Federation. Dann „geht es darum, daß die Ranger die oft sehr unvorsichtigen Besucher in ihre Schranken weisen“.

Das BML will in diesem Jahr den bereits seit langem bestehenden Forderungen von Umweltverbänden nachgeben und den Beruf des Schutzgebietsbetreuers arbeitsrechtlich anerkennen lassen. Außerdem sollen die Länder für die Ausbildung Mittel zur Verfügung stellen.

Derzeit arbeiten in Deutschland rund 530 SchutzgebietsbetreuerInnen. Nach Schätzung des WWF müßten bundesweit mindestens 2.000 der grünen Waldpolizisten eingestellt werden. Rund 20 Prozent des Bundesgebiets sind als schutzwürdig anerkannt. Dazu gehören alle Nationalparks, Naturparks und Biosphärenreservate.

Im Oktober könnte diese arbeitsrechtliche Anerkennung den ständigen Ausschuß im Bundesinstitut für Berufsbildung passieren. Bis dahin muß aber noch geklärt werden, was den Rangern alles mit auf dem Weg gegeben werden soll. Der WWF wollte die geprüften Ranger vor allem mit Kenntnissen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung ausstatten. Demgegenüber sah das Konzept des Landwirtschaftministeriums den Schwerpunkt in der praktischen Landschaftspflege.

Mittlerweile ist ein Kompromißvorschlag gefunden, der den Rangern eine Vertiefung in der einen oder anderen Richtung erlaubt. In insgesamt 1.300 Unterrichtsstunden sollen innerhalb von zwei Jahren in streßfreien Phasen außerhalb der Saison das Handwerkszeug eines Naturgebietsschützers erlernt werden.

Neben Fachwissen müssen die Ranger künftig über eine detailierte Ortskenntnis verfügen. Sie sollen ausschließlich aus dem Gebiet kommen, das sie betreuen, und dort selbst wohnen. Damit reagieren Behörden und UmweltschützerInnen auf die schlechten Erfahrungen im Nationalpark Wattenmeer. Dort waren bis vor zehn Jahren überhaupt keine NaturwächterInnen vor Ort tätig. Nur ab und zu kam aus Kiel eine Delegation, um Verbotsschilder aufzustellen. Ärger mit den Einheimischen war programmiert. „Eine wirkliche Ansprechmöglichkeit für die Nachbarn sowie Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit gab es dort nicht“, so Brockmann.

Bezahlt wird dieser Naturschutz zunächst von den Ländern. Allein in Mecklenburg-Vorpommern konnten im vergangenen Jahr 60 Arbeitsplätze von Förstern durch eine Umschulung zum Naturwächter erhalten werden. Langfristig sollen die Kommunen für die Kosten der Waldpolizei aufkommen. Schon wegen „des direkten wirtschaftlichen Nutzens für die betroffene Region“ begründet Umweltminister Matthias Platzeck im Nachbarland Brandenburg den geplanten Rückzug.

Die NaturschützerInnen hegen noch eine ganz andere Hoffnung. Die Nationalparks sollen nicht nur Tourismus bringen, sie sollen zu einem Bewußtseinsumschwung bei den BesucherInnen beitragen. Jan Brockmann glaubt, daß die intakte Natur den BesucherInnen als einmaliges „Primärerlebnis“ lange in Erinnerung bleiben wird und die Ökologie im Alltag fördert. Politiker und Firmenchefs in den Nationalpark...