Schnorcheln für den Moloch

■ Zwei Jubilarinnen laden ein: „Smoczek Policzek“-Videos werden ein Jahr alt und der Stella-Clip feiert seine Premiere

„Die Aufträge kommen sehr spontan rein, und innerhalb von drei Wochen muß schon alles fertig sein!“erklärt Deborah Schamoni das schnellebige Geschäft ihrer Firma „Smoczek Policzek“. Zusammen mit der HfbK-Studentin Svenja Rossa stellt sie Musikvideos her. Was vor einem Jahr mit Freundschaftsdiensten für Hamburger Bands wie Die Goldenen Zitronen begann, kann heute auf zwanzig Videos zurückblicken. Auftraggeber sind Independent-Labels, aber auch Mediengiganten wie Sony und Polydor.

Kosten? „Unter 30.000 Mark wird's schwierig.“Schließlich drehen die zwei nicht nur in Hamburg, sondern düsen ab und an zum Dreh in die Karibik - im Gepäck ein fünfköpfiges Filmteam.

Gerade abgedreht wurde „You're my Religion“von F&B with George. Das Video zum Techno-Song entstand auf Jamaica in der Blauen Lagune, die schon häufig als Film-Kulisse herhalten mußte. Smoczek Policzek fing die Insel einmal ohne jegliche Postkartenro-mantik ein. Die wenigen Panoramabilder werden passend zur Techno-Musik rasant schnell herangezoomt. Und manchmal fliegt die Kamera ganz schnell den schneeweißen Sandstrand entlang. Da bleibt keine Zeit für Kitsch.

Seit einiger Zeit flimmert der fertige Clip über den Musiksender MTV, wie zuletzt auch der Whirlpool-Hit „From Disco to Disco“.

Smoczek Policzek hat den Ehrgeiz, sich ein wenig abzusetzen von anderen Machern. „Unsere Videos sind humorvoller ... und schlauer!“gibt sich Deborah selbstbewußt. Und die Kamerafrau versucht jedes Bild mit Optik und Bewegung so phantasievoll wie möglich zu gestalten, ohne den selbstverliebten, verspielten Tricks des Mediums aufzusitzen. Szenenübergänge werden durch einen Turbo-Schwenk interessant. Und ab und an scheint die Kamera mitzutanzen. Auch unter Wasser, versteht sich. Und im Video zu Moloch schnorchelt Komponist Hans Plutzgumer durch die Fluten - Deborah mit versiegelter Linse hinterdrein.

Studiert hat die Firmengründerin an der renommierten Filmakademie der musischen Künste in Prag (Schwerpunkt Kamera). Kreatives Gegenstück bildet Svenja, die meist Regie führt. Die 32jährige studiert freie Kunst an der Hamburger HfbK - vorher war sie Regisseurin beim Hörfunk und zehn Jahre Creative Director in einer Werbeagentur. Insgesamt zehn Filmbegeisterte haben sich in der Produktionsstätte in der Stresemann-str. 374d auf 140 qm eingenistet und im Kollektiv Computer- und Schneidetechnik eingekauft. Auf billige, plakative Effekte versucht die junge Firma weitgehend zu verzichten. Statt „nackter Haut oder so“setzen sie auf ungewöhnli-che Einstellungen, Kulissen, Darsteller. „Schöne Locations und schönes Licht sind uns wichtiger als uns morgen einen dicken Schreibtisch leisten zu können“, ergänzt Svenja. Mit der Hamburger Band Die Sterne ging es - trotz kleinerem Budget - denn auch ins sonnige Marseille, um das Video zu „Trrrmmer“zu drehen. Mehr Geld dürfte unterm Strich gerne noch rauskommen. Um Ruhm und Ehre ist es scheinbar schon ganz gut bestellt. Und inzwischen werden Deborah und Svenja als Gastdozentinnen an die Stuttgarter Merz-Akademie eingeladen.

Klaus Rathje „Smoczek Policzek“-Fete mit Clip-Show, außerdemdas neue Stella-Video „Tomorrow I'll be perfect“. Heute, B-Movie, 20 Uhr