Lernt Spinnenschutzgreifen!

■ Neuer Naturerlebnisladen „Casa Natura“in Bremen: Viel Pädagogik, viel Gimmick

Die Rabenkrähe gilt gemeinhin als lästiges Getier, das nervt und Dreck macht. Macht es also Sinn, BalkonbesitzerInnen und (Vor-)GartengärtnerInnen eine Rabenkrähe-Lockrufpfeife anzubieten? Ja – sagt Klaus Domnick. Er hat 25 Vogellockrufpfeifen im Regal und im Kopf die fixe Idee, daß der Mensch beim Warenkauf in erster Linie neugierig, also gefühlsbetont oder vielleicht sogar irrational agiert. So auch im „Naturgeschäft“, was der Betriebswirt vor anderthalb Jahren in Los Angeles sah und fortan einschlägige Messen bereiste. Nun hat Bremen mit Hollywood gleichgezogen: Letzte Woche eröffnete das Ehepaar Domnick sein „Casa Natura“(Naturhaus) in der Pieperstraße.

Leicht aufdringliche Obst-Düfte (Grapefruit) umspielen das Näschen, Vögel (der Heimat) zwitschern aus den Lautsprechern, oben an der Decke blinkt ein blauer Sternenhimmel von anderthalb Quadratmetern Durchmesser. Zwei Menschen in grünen Schürzen reichen Früchtetee und erläutern den Rattleback-Wackelkreisel. Sie nennen sich selbst „Mentoren“und sind die Ladenbesitzer aus Achim. Die KundInnen sollen in ihrem Casa Natura mit allen fünf Sinnen dabei sein, oder wie an der Hausfront steht „Natur entdecken und erleben“. – Einmal die Raumfahrt-Kids durch ein 6.500 Mark-Teleskop schauen lassen. Schulklassen den echten Mammutzahn mit Kauspuren zeigen. Den Menschen zum Naturschutz animieren. So sagen die beiden Domnicks.

Zwei selbstlose Geschäftsleute oder gar Hobbyisten in Bremens bester, teuerster Zentral-Einkaufslage? „Wir wollen auch verkaufen“, räumt Klaus Domnick schon ein. Dann formuliert er jedoch umgehend wieder hehre Ziele: Es gehe hier ums Pädagogische, und Uta Domnick, Biologie-Lehrerin in Bremen, nickt dazu.

Das Paar stellt sich das so vor: Die BremerInnen kaufen sich eine Lupe mit Aufsichtmikroskop und sehen sich selbstgefundene Steine an. Sie erwerben ein Weinset und messen selbst Temperatur und Alkoholanteil des Getränks ihrer Wahl. Sie hängen sich glasierten Mammutschmuck ans Ohr in dem Bewußtsein, daß in kurzen sibirischen Sommern oft (im Eis konservierte) Skelette und Stoßzähne der Tiere aufgespürt werden.

„Der Artenschutz ist nicht tangiert!“informiert dazu ein Täfelchen in der Mammut-Tischvitrine. Natürlich soll es in einem „Casa Natura“auch natürlich zugehen, politisch korrekt und ökologisch. „Sagen wir: nach Möglichkeit umweltverträglich“, so Klaus Domnick. Die Funktion der Dinge sei ihm aber wichtiger. Der Spinnen- und Insektenschutzgreifer für 9 Mark 95 (entfernen, ohne zu töten) darf also durchaus aus Kunststoff sein. Gimmicks wie die Detektivlupe für 3 Mark 95 dito. „Ein Naturoskop zum Wasserpflanzenangucken für den Hausgebrauch wäre aus Holz und Glas völlig überteuert.“

Das mag auch für den Demo-Globus aus Plexiglas gelten. Man richtet die Erdkugel in seinem Inneren breitengradgenau gen Firmament und sieht (für 1.300 Mark) den Ortszeit-Sternenhimmel. Zum Erwerb solcher etwas teureren Produkte (siehe auch Teleskope) sollen FachlehrerInnen kommen. ExpertInnen (insbesondere der Astronomie) sind für ergänzende Vorträge angefragt. Vielleicht – da sind sie wieder, die missionarischen Zwischentöne der Domnicks – bleibe sogar irgendwann einmal vom Gewinn etwas für die Unterstützung von Umweltschutzprojekten übrig. Vorausgesetzt, die BremerIn entdeckt das Casa in der City.

„Ist ja sonst doch ziemlich eintönig in der Gegend“, sagt dazu ein Freitag-nachmittags-Kunde im Laden. Eine Mutter arbeitet sich dort gerade für ihren Sohn („wir wandern viel mit ihm“) durch die Regalwand mit den Bestimmungsbüchern: „Ist teuer, dafür sehr kompakt hier.“Zwei junge Leute zeigen dem „Mentor“, wie der Gyroball (improves your grip for golf, tennis a.s.o) funktioniert und finden: „Riecht gut im Laden, entspannt, es gibt auch Regenwald, und man darf alle Schachteln aufmachen.“

Nistkästen, Igelkuppeln, Experimentierkästen, Lenkdrachen, Edelsteine, GEO-Satellitenbildbände, Tierfilm, Barometer, Boccia-Kugeln. Casa Natura ist eine Stöberstube. Vielleicht eine Spielwiese. Tatsächlich ein Geschäft mit allem, was irgendwie Natur (und Technik) ist. Und die leicht vergrößerte Heimwerkstatt der Domnicks. Vieles hat der Ladenchef selbst entworfen und gebaut. Manches ist auch unverkäuflich. Das Planetarium zum Beispiel. Wo hätten Sie's installiert? sip