Pest und Cholera sind nicht totzukriegen

■ Weltgesundheitsorganisation warnt vor Ausbreitung von Infektionskrankheiten

Berlin (dpa/taz) – Das Ende der Infektionskrankheiten schien schon nahe. Doch in den nächsten Jahren könnten sich viele der Plagen erneut ausbreiten, fürchtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Anläßlich des gestern begangenen Weltgesundheitstages warnte sie besonders vor Cholera, Malaria und Tuberkulose, die die Gesundheit großer Teile der Weltbevölkerung zu gefährden drohen.

Zu lange habe man sich in der falschen Überzeugung gewiegt, den Kampf gegen Infektionskrankheiten gewonnen zu haben, erklärte der Generaldirektor der WHO, Hiroshi Nakajima. Zwar seien zum Beispiel die Pocken ausgerottet worden. Doch verfrühte Erfolgsmeldungen hätten zu einer Vernachlässigung der Anstrengungen und damit zu einer erneuten rapiden Ausbreitung der „Infektionsklassiker“ Cholera, Malaria und Tuberkulose geführt. Sogar tödliche Erkrankungen an Pest, Diphtherie, Gelbfieber und Meningitis nähmen stark zu.

Das Comeback der Infektionen hat seine Ursache vor allem im Mangel an sauberem Trinkwasser, der ungenügenden Ausstattung vieler neu entstandener Ballungsgebiete mit sanitären Anlagen sowie in der wachsenden Bevölkerungsdichte. Der ständig zunehmende Flugverkehr erleichtert die Verbreitung der Viren und Bakterien enorm. In gleichem Maße wie die Gesundheitsversorgung gegen Infektionskrankheiten ging auch die Forschung nach Medikamenten zurück. Weil die Keime sich anpassen, werden zudem immer mehr Antibiotika wirkungslos. Jede Sekunde erkrankt ein Mensch an Tuberkulose, schätzt die WHO. Bis 2007 werden 30 Millionen Menschen an der Lungenkrankheit sterben, fürchten die Experten. An Tuberkulose sterben weit mehr Menschen als an Aids oder Malaria.

Während sich in Osteuropa die Tuberkulose nach 40 Jahren des Rückgangs wieder einschleicht, haben die Menschen im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas erneut mit Malaria zu kämpfen — die vielen Flüchtlingstrecks und die katastrophalen Bedingungen in den Lagern fördern die Verbreitung. Jährlich sterben weltweit rund 2,1 Millionen Menschen an Malaria. Cholera ist in Afrika in den siebziger Jahren, in Lateinamerika erstmals 1991 und in Indien und seinen Nachbarstaaten seit 1992 erneut ausgebrochen, nachdem die Krankheit seit Anfang des Jahrhunderts nicht mehr aufgetreten war.

Auf offene Ohren sind die WHO-Mahnungen in Bonn gestoßen. Vom Bundesgesundheitsministerium wurde gestern prompt eine Reform des Bundesseuchengesetzes angekündigt. Künftig sollen nicht nur Krankheiten, sondern auch Krankheitserreger gemeldet werden, damit der Ausbruch von Krankheiten frühzeitig erkannt wird. Oliver Schilling