Angeklagte bestreiten gezielte Jagd auf Italiener

■ In Potsdam müssen sich zwei mutmaßliche Rechtsradikale wegen eines Überfalls auf italienische Bauarbeiter verantworten. Eines der Opfer wurde schwer verletzt

Potsdam (taz) – Die Erwartungen sind hoch gesteckt. „In Italien will man sehen, was die deutsche Justiz tut, um Italiener zu schützen“, so Rodolfo Caló von der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Seit gestern müssen sich zwei mutmaßliche Rechtsradikale vor dem Potsdamer Landgericht wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes an einem italienischen Bauarbeiter verantworten.

Dem 22jährigen Jan Weicht aus Klein Schulzendorf (Brandenburg) und dem 20jährigen Francesco Heym wird vorgeworfen, am 30. September 1996 den 55jährigen italienischen Bauarbeiter Orazio Giamblanco in Trebbin mit einem Baseballschläger lebensgefährlich verletzt zu haben. Bei dem Überfall in der brandenburgischen Kleinstadt, 35 Kilometer südlich von Berlin, war ebenfalls der 50jährige Bauarbeiter Giovanni Andreozzi zusammengeschlagen worden. Der Überfall von Trebbin hatte in Italien für Schlagzeilen gesorgt. Erstmals waren in Brandenburg Bürger der Europäischen Union Zielscheibe fremdenfeindlicher Übergriffe geworden.

War der Überfall auf die Arbeiter geplant? Sind Weicht und Heym in der Absicht, die in Trebbin beschäftigten Arbeiter zu verprügeln, mit dem Trabant von der Tankstelle am Rande der Stadt weggefahren, und wieviel Alkohol hatten die beiden Angeklagten im Blut? Fragen, die Richter Klaus Przyballa gestern vor allem interessierten. Die Situation habe sich leider zufällig so ergeben, gab Weicht zu Protokoll. Er sei nicht ausländerfeindlich, er hätte sich nicht anders verhalten, wenn ein Deutscher ihn angepöbelt hätte.

Was denn der Italiener gesagt habe, wollte Przyballa wissen. Genau verstanden, so Weicht, habe er die Worte nicht, aber er habe sich provoziert gefühlt. Vor allem, als er gesehen habe, wie einer der Bauarbeiter einen Stein in die Hand genommen habe. Heym will „Verpiß dich“ gehört haben.

Entgegen der ersten polizeilichen Vernehmung am 4. Oktober erzählte Weicht gestern, er habe an der Tankstelle neben ein paar Flaschen Bier eine halbe Whisky auf ex getrunken. Freunde hätten ihn dazu angestachelt. Dann seien er, sein Freund Francesco und zwei Mädchen in den Trabant gestiegen, um billigeres Bier in der Innenstadt zu holen. Auf der Rückfahrt seien ihnen die pöbelnden Italiener aufgefallen. Darauf hätten sie angehalten, „um mit denen zu quatschen“, so Heym. Dann habe einer der Italiener die Hand mit dem Stein hochgehalten und er, Weicht, sich provoziert gefühlt. Er habe mit dem Baseballschläger zugeschlagen, zunächst auf die Hand, sei aber mit dem Schläger abgerutscht und habe dabei „nur leicht den Kopf touchiert“. Das Opfer indes lag danach monatelang im Koma und ist jetzt in einer Spezialklinik bei Bielefeld. Jens Rübsam