piwik no script img

Abschiebung brutal

■ Polizei nimmt in Heim für Traumatisierte zwei Frauen fest

Trotz wachsender Kritik an der überfallartigen Abschiebepraxis nach Bosnien, führt Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) seine harte Linie fort. Gestern nachmittag nahmen Polizisten in einem Heim für kriegstraumatisierte Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien Selma und Samir C. fest und verbrachten sie in Abschiebehaft. Mutter und Tochter sind Musliminnen aus Ost-Mostar. Sie hatten 1994 in dem Heim, einem Modellprojekt, Zuflucht gesucht.

Beiden Frauen hatte die Ausländerbehörde im März die Pässe abgenommen und ihnen mitgeteilt, daß für sie ein Rückübernahmeantrag bei der bosnischen Botschaft gestellt worden sei. Ihnen war eine Ausreisefrist bis zum 3. Juli eingeräumt worden. Gegen die Abschiebungsandrohung hatten Selma und Samir C. Beschwerde eingelegt. Sie hatten die gerichtliche Zusicherung erhalten, die Behörden dürften sie nicht abschieben, bis über ihren Antrag auf weitere Duldung entschieden sei.

Beide Frauen waren zur freiwilligen Ausreise bereit und hatten für gestern einen Termin bei der Rückkehrerberatung des Senats in der Streitstraße geplant. Wegen eines Arzttermins hatten sie den Termin gerade auf Donnerstag verschoben, da standen schon drei Polizisten in ihrem Zimmer.

Ihre Festnahme löste unter den Mitbewohnerinnen des Flüchtlingsheims Panik aus. Bewohnerinnen fielen in Weinkrämpfe. Eine Frau bekam einen hysterischen Anfall. Sozialarbeiterinnen des Heims beobachten schon seit den ersten Abschiebemaßnahmen in Berlin, wie unter den Bewohnerinnen Traumatisierungen wieder aufbrechen, die gerade annähernd bewältigbar erschienen. ve

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen