■ Das Bundesverfassungsgericht bestätigt LPG-Altschulden
: Hilfe nur für die Starken

Was von der DDR blieb, waren ihre Schulden. Diese zynische Weisheit stimmt jedenfalls für die ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Ausgerechnet die zu DDR-Zeiten aufgenommenen Bankkredite blieben von der alten Ordnung bestehen – abgewertet zwar im Verhältnis 1:2, die Sachgüter jedoch verloren weit mehr an Wert. Kein Wunder, daß die LPG sich wehren, diese Darlehen auch in der neuen Ordnung anzuerkennen. Schließlich hatten Bankkredite in der Planwirtschaft eine ganz andere Funktion als in einem bürgerlichen Bankwesen, das auf Gewinn abzielt.

Das Verfassungsgericht hat jetzt klargestellt: An diesen Bankkrediten soll keiner der noch existierenden LPG-Nachfolgebetriebe zugrundegehen. Doch von einst 4.000 LPG sind nur noch 1.400 Nachfolgebetriebe übrig. Viele Genossenschaften haben schon kurz nach der Wende aufgegeben. Für sie kam jede Rettung zu spät. Wer im Jahr 1990 als „nicht sanierungsfähig“ galt, kam auch nicht in den Genuß der bescheidenen Entschuldungsmaßnahmen der Bundesregierung.

Das Verfassungsgericht sah hierin eine „zukunftsbezogene Lösung“, für die sich die Regierung durchaus entscheiden durfte. Schließlich sei es doch besser, so die dahinterstehende Logik, die knappen öffentlichen Mittel auf Betriebe zu konzentrieren, die tatsächlich überlebensfähig sind.

Wann aber war ein Betrieb überlebensfähig? Jürgen Meger, ehemaliger Vorsitzender der LPG Schlanstedt, deren Fall gestern in Karlsruhe entschieden wurde, schwört Stein und Bein: „Wir galten als nicht sanierungsfähig, weil wir zu viele Altschulden hatten.“ Wenn das stimmt, beißt sich natürlich die Katze in den Schwanz. Nur die Starken werden entschuldet, und stark ist, wer wenig Schulden hat.

Die Bundesregierung hält dagegen: Bei der Sanierungsfähigkeit sei auf alles geschaut worden, nur nicht auf die Altschulden. So stand es natürlich auf dem Papier. Doch etwas weltfremd klingt das schon. Das Verfassungsgericht hat sich dem dennoch angeschlossen – ohne Begründung. Eine bequeme Lösung. Denn die dichtgemachten LPG in Schlanstedt und anderswo hätten eh nicht mehr wiederbelebt werden können. Und in dem politisch-moralischen Streit, wer nun Totengräber vieler DDR-Agrarbetriebe war, wollte Karlsruhe sich offensichtlich nicht gegen die Regierung stellen. Christian Rath