„Bündnisse sind nur Reparaturkolonne“

■ Textilgewerkschaftschef Willi Arens: Bündnis für Arbeit brachte nicht viel

Vor einem Jahr schloß die Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB) einen bundesweit einmaligen Tarifvertrag: Zur Arbeitsplatzsicherung können Textilunternehmen Lohnerhöhungen aussetzen. Die taz befragte dazu den GTB- Vorsitzenden Willi Arens.

taz: 1996 haben sie ein Bündnis für Arbeit geschlossen, nach dem Betriebe Lohnerhöhungen verschieben können. Was hat das gebracht?

Willi Arens: Für die Arbeitsplätze nicht das, was wir erwartet hatten. Der Abbau ist weiter vonstatten gegangen. Das hat aber nichts mit dem Bündnis zu tun, sondern mit den Rahmenbedingungen.

Inwiefern?

Die unteren und mittleren Einkommen sind zurückgegangen, das macht sich im privaten Verbrauch bemerkbar. Die Textil- und Bekleidungsindustrie setzt nun schon im dritten Jahr weniger ab als vorher, und das geht zu Lasten der deutschen Produktion.

Wie viele Jobs sind schon verschwunden?

In der Bekleidungs- und in der Textilindustrie haben wir im letzten Jahr etwa 30.000 Arbeitsplätze verloren. Wir haben nur noch 225.000 Beschäftigte, 1990 hatten wir noch 700.000 Arbeitsplätze, inklusive der DDR.

Das sind vor allem Frauenarbeitsplätze ...

Das ist es. Unsere Leute haben den Eindruck, die Auseinandersetzungen um die Kohle und den Stahl, die werden von der Politik und den Medien stark wahrgenommen. Aber bei uns geht es um Kleinbetriebe, es sind zu 60 Prozent Frauenarbeitsplätze, das scheint nicht so wichtig zu sein. Wir haben mal ein Solidaritätsband aus Stoff gespannt vom Bundeswirtschaftsministerium zum Bundeskanzleramt, das gab im Fernsehen nur eine knappe Minute. Und dabei ging es um eine ganze Branche!

Wie viele Unternehmen haben denn Lohnerhöhungen ausgesetzt und im Gegenzug sichere Jobs versprochen?

Das hat man so in 15 bis 20 Betrieben gemacht, allerdings waren das die etwas größeren Betriebe mit 100, 150 Beschäftigten. Da hat es auch funktioniert. Aber leider waren es eben zu wenige.

Das Bündnis hat keine Zukunft?

Eins hat das deutlich gemacht: Mit Lohnzurückhaltung sind die Arbeitsplätze in der Textil- und Bekleidungsindustrie nicht zu sichern. Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Erstens die Verlagerungen, das Lohn- und Sozialdumping. Zweitens müssen wir die Massenkaufkraft stärken durch eine Steuerreform. Wenn die breiten Massen nicht wieder eine höhere Kaufkraft bekommen, dann können diese kleinen Bündnisse nur Reparaturkolonne sein für das, was anderswo negativ beeinflußt wird. Interview: roga/BD