Abschiebung trotz Selbstmordversuch

■ 16jähriger mußte in Türkei / In Bremen streiten Anwalt, Ausländeramt und Amtsgericht

Gestern morgen war der Aufenthalt für den 16jährigen Kurden Yusuf K. in Deutschland vorbei. Der junge Mann wurde abgeschoben – obwohl beim Bremer Amtsgericht noch ein Eilantrag auf Aufschub zur Entscheidung anstand und das Ausländeramt die in der Regel abwartet, obwohl Yusuf K. einen Selbstmordversuch im Abschiebeknast unternommen hatte, und obwohl er in der Türkei niemanden hat, zu dem er gehen könnte. Das zumindest sagt sein Anwalt Eberhard Schultz, der schwere Vorwürfe gegen das Ausländeramt erhebt. Die dessen Leiter Dieter Trappmann nicht minder heftig bestreitet. Und dazwischen steht eine Verwaltungsrichterin, die die Abschiebungsgeschwindigkeit ebenfalls leise kritisiert, aber nach dem Aktenstudium sicher ist: „In zwei Wochen wäre er eh drangewesen.“

Im April 1995 war Yusuf K. per Flugzeug in die BRD eingereist. Er sei in Kurdistan mehrfach festgenommen und gefoltert worden, weil die dortige Polizei ihn für einen Unterstützer der PKK gehalten habe, gab er an. Die deutschen Behörden glauben ihm allerdings bis heute nicht. Zwei Asylanträge wurden genauso abgelehnt wie reichlich Eilanträge und sogar eine Verfassungsbeschwerde. Die hatte Anwalt Schultz eingelegt, weil K's Amstvormund eine Einspruchsfrist hatte verstreichen lassen. K. wurde letzte Woche festgenommen und sollte am letzten Samstag abgeschoben werden. Gestern war es schließlich soweit.

Was Rechtsanwalt Schultz aufregt. K. habe nämlich im Abschiebeknast versucht, sich die Puls-adern aufzuschneiden. Kein Psychologe habe je erforscht, wie ernst es dem jungen Mann gewesen sei. Gegenposition vom Chef des Ausländeramtes, Dieter Trappmann: „Wer sich ganz vorsichtig die Haut aufritzt, der will nicht Selbstmord begehen.“Als der Mann in der Klinik angekommen sei, hätten die Wunden nicht mal mehr geblutet.

Vorwurf Nummer zwei: K. habe in der Türkei niemanden. Es gebe internationale Vereinbarungen, nach denen Jugendliche in einem solchen Fall nicht abgeschoben werden dürften. Argumentation Trappmann: K. habe erstens bei seinem Asylantrag angegeben, daß seine Mutter und Geschwister im kurdischen Bingöl wohnen, und zweitens habe K. noch vom Abschiebeknast aus mit einer Tante in Kurdistan telefoniert. Die Richterin: „Soll die BRD den jungen Mann behalten, weil seine Tante ihn nicht will? Jedenfalls stimmt es nicht, daß er dort niemanden hat.“Anwalt Schultz darauf: „Haben die das nachgeprüft? Nein.“

„So schnell hätte der junge Mann nicht abgeschoben werden müssen“, sagt allerdings auch die Richterin, die gestern den Ablehnungsbescheid für den allerletzten Eilantrag des Anwalts Schultz formulierte. „Man hätte da noch einen Psychologen hinschicken können. Aber er wäre sowieso drangewesen, Asylgründe hat er keine.“Schultz: „Es ist ihre Pflicht als Richterin, das zu überprüfen.“

Nun hofft der Anwalt auf politische Unterstützung. Und die hat er in dem Fall vom Grünen-Abgeordneten Arendt Hindricksen, von der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill, der PDS und vom internationalen Menschenrechtsverein in hart formulierten Erklärungen bekommen. Der Verein will heute mittag, 12 Uhr, ab Domsheide zum Knast fahren und dort demonstrieren. Frage an Trappmann, ob die Protestierenden sich mit ihm in Verbindung gesetzt hätten. Antwort: „Kein einziger.“ J.G.