"Für Fehler halt' ich die Rübe hin"

■ Vor dem heutigen Saisonauftakt: Ex-Fußballprofi Manfred Burgsmüller über seine Fortschritte als Footballer, die World League und warum er sich das in seinem Alter antut

taz: Na, Herr Burgsmüller? Froh, endlich ein vollwertiger Footballer zu sein?

Manfred Burgsmüller: Wie soll ich diese Frage verstehen?

In ihrem ersten Jahr beim World League-Team Rhein Fire wurde immer wieder kolportiert, sie wären lediglich ein PR-Gag.

Nur weil ich neben dem Sport auch noch Promotion für Fire gemacht habe? Wissen Sie, ich achte nur bis zu einem gewissen Grad darauf, was die Medien so schreiben. Tatsache ist, daß ich auch in der letzten Saison ein vollwertiges Mitglied von Rhein Fire war.

Sie spielen nicht nur deswegen eine zweite Saison, um alle Kritiker ins Leere laufen zu lassen?

Das ist doch Quatsch! Ich kicke, weil es mir Spaß macht, aber doch nicht, um irgendwelchen Leuten etwas zu beweisen. Das habe ich in meinem Alter nicht mehr nötig. Wichtig ist mir nur mein persönliches Ziel: Ich will besser abschneiden als in meiner ersten Saison als Footballprofi.

Und, treffen Sie besser?

Das ist doch ganz normal. Im letzten Jahr wurde ich ins kalte Wasser geworfen. American Football war für mich doch nicht mehr als ein böhmisches Dorf. Jetzt habe ich mehr Einblick, kenne die Regeln. Ist doch logisch, daß meine Leistung automatisch besser wird.

Ist Regelkenntnis überhaupt nötig für Ihren Job? Als Kicker sind Sie von drei Spielstunden zwei Minuten auf dem Feld.

Und entscheide trotzdem Spiele. Wenn wir kurz vor Schluß 20:21 zurückliegen, ist mein Kick der Knackpunkt der Begegnung.

Sind Sie so etwas wie ein Fußballer, der nur zu Elfmetern eingewechselt würde?

Das läßt sich überhaupt nicht vergleichen. Beim Fußball-Elfmeter kann ich mir den Ball selbst hinlegen und dann in Ruhe anlaufen. Ein Kick dagegen verlangt absolutes Teamwork: Der Snap, also das Werfen des Balls nach hinten, muß punktgenau ankommen. Mein Holder muß mir die Pille richtig hinstellen, und die schweren Jungs von der Offensive Line müssen mich vor den anstürmenden Gegnern beschützen. Nur wenn alles stimmt, kann ich den Ball durch die Stangen treten.

Und trotzdem wird es immer heißen: Der Burgsmüller hat verschossen. Wie beim Elfmeter.

Klar, daß ich für jeden Fehlschuß die Rübe hinhalten muß. Der Fan im Stadion bekommt ja meistens gar nicht mit, was schiefgegangen ist. Damit habe ich aber keine Probleme. Ich richte mich nur nach der Kritik der Trainer. Im täglichen Training analysieren wir jeden Schuß intensiv per Video.

Wie kommen Sie im Training klar? Ihre Kollegen sind vorwiegend US-amerikanische Twens.

Die Integration ist schwierig, was aber weniger an meinem Alter oder meiner Nationalität liegt. Als Kicker trainiert man mehr oder weniger isoliert vom Rest der Mannschaft. Während Offense oder Defense ihre Spielzüge durchgehen, üben wir abseits des Geschehens unsere Kicks.

Hört sich ziemlich stupide an.

Ist es auch. Man muß halt selber den Ehrgeiz entwickeln, sich ständig zu verbessern, ansonsten würde es wirklich sehr langweilig.

Mit der Mannschaft haben Sie wenig bis gar nichts zu tun?

Das stimmt so auch nicht. Nach dem regulären Training zum Beispiel mache ich bei allen Laufübungen mit. Meistens zusammen mit den Quarterbacks.

Wie halten Sie mit?

Sagen wir mal so: Manchmal denke ich, einige der Boys sollten verschämt den Kopf in den Sand stecken, wenn ich als alter Mann noch locker an ihnen vorbeijogge!

Mit dem Niveau scheint es ja dann nicht allzuweit her zu sein...

Moment, die Spieler, mit denen ich laufe, sind teilweise 140 Kilogramm schwer. Dafür bewegen sie sich noch ganz gut.

Besser als im letzten Jahr, wie die Ligazentrale behauptet?

Auf jeden Fall. Die Spieler sind viel frischer, viel agiler geworden. In der letzten Saison kam mir alles viel zu träge vor, jeder Spielzug ging irgendwie langsamer vonstatten. Jetzt haben wir über 100 Spieler aus der National Football League (NFL) in der Liga. Der Unterschied ist spürbar. Leider nicht nur bei uns, sondern auch bei den anderen fünf Teams.

Wer kommt ins Finale, die World Bowl?

Ich glaube, Rhein Fire hat gute Chancen. Unser erstes Spiel gegen die Barcelona Dragons ist vorentscheidend. Nicht nur sportlich, sondern auch, was das Publikumsinteresse angeht.

Sie sind hauptberuflich Repräsentant von Reebok Deutschland. Reebok ist gerade als Hauptsponsor der World League ausgestiegen. Sauer auf Ihre eigene Firma?

Warum? Mit der Kooperation zwischen der World League und der Firma Reebok hatte Reebok Deutschland nichts zu tun. 1992 wollte Reebok in die NFL einsteigen und mußte im Paket auch drei Jahre lang Trikotsponsor der World League sein. Diese drei Jahre, 1992, 1995 und 1996, sind abgelaufen.

Hat dieser Rückzug Ihr Comeback bei Rhein Fire erschwert?

Es gab längere Verhandlungen als im Jahr zuvor. Immerhin muß ich für einen längeren Zeitraum freigestellt werden.

Die World League steht ohne Hauptsponsor da, die Trikots müssen von der NFL gestiftet werden. Ist das nicht bedenklich?

Das müssen andere entscheiden. Ich selbst habe immer wieder bei Reebok vorgefühlt: Könnten wir nicht? Da war nichts zu machen. Vielleicht hätte sich die Liga einmal früher Gedanken machen sollen, was nach Ablauf der drei Vertragsjahre passiert.

Werfen Sie der World League Mißmanagement vor?

Nein, ich sehe die Situation nur von beiden Seiten. Als Spieler eines Weltliga-Teams und als Repräsentant des Ausrüsters. Ansonsten ist vieles in der Liga vorbildlich.

Zum Beispiel?

Die Fire-Party drei Stunden vor dem Spiel etwa sollten sich einige Fußballvereine einmal genau anschauen. Ein Footballspiel ist halt mehr, als ins Stadion zu kommen, eine Wurst zu essen und wieder nach Hause zu gehen. Interview: Dirk Switalla