„Keiner hier will die Gen-Rübe!“

■ Im niedersächsischen Schmarrie kämpfen Bürger und Aktivisten gegen Chemie-Multi Monsanto

Ein kalter Wind streicht über das hügelige Gelände um das Dörfchen Schmarrie zwischen Hameln und Hannover. Etwa 50 Häuser träumen in der Aprilsonne vor sich hin, Ponys grasen auf den Weiden – doch in Schmarrie hingen am Samstag auch Bettlaken an den Gartenzäunen, und etwa 170 Menschen und Tiere zogen mit Plakaten die Dorfstraße entlang. Sie protestierten gegen den US-Chemiemulti Monsanto, der auf einem Acker am Rand ihres Dorfes genmanipulierte Zuckerrüben aussäen will. Diese Monsanto-Rüben sollen dem konzerneigenen Pflanzenvernichtungsmittel „Round-up Ultra“standhalten können.

Horst Hillen vom Aktionsbündnis „Gen-Rübe“, das die Demonstration organisiert hat, wehrt sich gegen den Versuch: „Das sind Zwitterrüben, eine Mischung zwischen Bakterien, Viren und Pflanze.“Tatsächlich haben Wissenschaftler in konventionelle Zuckerrüben das Gen eines Agrobacterium-Stammes eingepflanzt, das resistent gegenüber dem Totalherbizid „Round-up Ultra“ist. Totalherbizid heißt, daß alle grünen Pflanzen, die mit dem Gift in Berührung kommen, absterben. Um die Wirksamkeit von Round-Up Ultra zu erproben und für Deutschland eine Lizenz zu erhalten, will Monsanto die genmanipulierten Rüben hier in Schmarrie und an sieben anderen Standorten in Deutschland freisetzen.

„Das ist ein zu großer Eingriff in die Natur, die Konsequenzen sind überhaupt nicht vorhersehbar. Das macht uns Angst“, meinen zwei Mütter mit kleinen Kindern, die extra angereist sind, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Mit ihnen laufen Landwirte, Jugendliche und Eltern. Eine ältere Lehrerin sagt: „Ich denke mit Sorgen an meine Schüler und Enkel.“

In einem Info-Zelt auf dem Versuchsacker liegen Greenpeace-Broschüren aus: Durch das Rüben-Gen könnten über den Zuckerverzehr Allergien auftauchen, warnt die Umweltschutzorganisation. Außerdem blieben immer einige Rüben unentdeckt in der Erde, die dann ausschießen und blühen. Durch Bienen und Wind könnten die Pollen der genmanipulierten „Rübenschosser“in die Natur und auf andere Äcker gelangen.

Eine weitere Gefahr gehe von dem Totalherbizid aus: Denn nicht nur sogenannte Unkräuter werden durch das Giftspritzen abgetötet, sondern auch Regenwürmer, Käfer und Bodenbakterien, die die natürliche Fruchtbarkeit eines Ackers sichern.

Außerdem kann das Herbizid in das Grundwasser gelangen. Direkt unter dem Acker in Schmarrie liegt ein Trinkwassergewinnungsgebiet. Monsanto behauptet zwar, daß sich das Herbizid schnell abbaut, doch bei einer Halbwertzeit von 60 Tagen ist eine Verseuchung des Grundwassers nicht auszuschließen.

„Das wird alles schon nicht so dramatisch sein“, meint ein Biochemiker aus der Umgebung, der am Samstag aus Neugierde da war. „Experimente müssen sein, um die Folgen abzuklären. Bis dahin sind das doch alles nur Hypothesen.“Gegen solche Wissenschaftsgläubigkeit richtet sich Khosrow Bandehzadeh vom Vorsitz der Grünen in Bückeburg, der ebenfalls mitdemonstriert: „Wir lassen uns auf diese Diskussion gar nicht erst ein. Der ganze Nutzen dieser Experimente ist mir nicht klar. Es besteht keine Notwendigkeit für mehr Rüben, wenn man bedenkt, daß 1993 Lebensmittel im Wert von 550 Millionen Mark EG-weit vernichtet wurden!“

Der Landkreis Schaumburg vertritt die Position, daß dieser Freilandversuch nicht genehmigungsfähig sei. „Doch leider hat der Kreis nicht das letzte Wort“, so Herbert Röhrkasten, Vorsitzender des Umweltausschusses des Landkreises. Noch habe er allerdings die Hoffnung nicht aufgegeben, denn das zuständige Robert-Koch-Institut in Berlin wird die Entscheidung über die Zulassung voraussichtlich Mitte dieser Woche fällen.

„Wir Bürger müssen dem Chemie-Multi deutlich machen, daß keiner hier die Gen-Rübe will. Wir wenden dabei nur gesetzmäßige und friedliche Mittel an“, so Horst Hillen vom Aktionsbündnis. Hinter diesem stehen private BürgerInnen und Geschäftsleute aus dem Umland, die evangelische Kirche, SPD- und Grünen-Ortsgruppen aus dem Kreis. Seit Mitte Februar haben sie allein gegen den Versuchsacker in Schmarrie über 1.600 Einwendungen gesammelt. Aus dem Dorf Schmarrie mit seinen 300 EinwohnerInnen kamen 200 Unterschriften. Bundesweit haben 15.000 Menschen gegen die Gen-Rüben unterschrieben.

Die „Rübenschosser“, eine Gruppe von etwa 20 Jugendlichen und Erwachsenen aus der Umgebung, leisten anders Widerstand. „Für uns ist die Besetzung des Feldes die einzige Möglichkeit, die Aussaat zu verhindern“, meint Timo Vogt, ein Sprecher der Gruppe. Seit Freitag vergangener Woche campen sie auf dem Gen-Acker, hinter den drei Zelten steht ein Holzklo: „Wir scheissen auf Monsanto.“

Die BesetzerInnen erfreuen sich zunehmender Hilfsbereitschaft von Seiten der Dorfgemeinschaft. Da kommen Bauern vorbei und schenken ihnen Feuerholz für ihren Ofen, denn der Wind bläst noch ziemlich kalt über die Felder. Da bringt ein kleiner Junge Taschentücher, Brötchen und Äpfel werden gestiftet. „Als vor einigen Tagen die Polizei mit drei Wagen kam, um mal wieder unsere Personalien festzustellen“, erzählt Timo, „hat ein Bewohner, der unser Camp von seinem Haus aus sehen kann, sofort ein paar Leute alarmiert, um uns zu unterstützen.“

Den Kontakt zu den Monsanto-Leuten haben die Rübenschosser im Gegensatz zum Aktionsbündnis abgebrochen. „Da kamen zu viele Diffamierungen: Wir wären die Reisechaoten, die für das Aktionsbündnis die Drecksarbeit machen würden! So wurde Dr. Andreas Tierfelder, der Monsanto-Projektleiter, am Freitagabend bei einer Info-Veranstaltung wieder ausgeladen. „Aber gewaltfrei sind auch wir!“beteuert Timo. „Wir wollen nur, daß Monsanto wieder abzieht und seine Rüben mitnimmt.“

Hoffnungen haben beide Gruppen: Zwei weitere Versuchsäcker in Deutschland sind laut Timo Vagt ebenfalls besetzt und zwei Standorte in Uffenheim in Bayern und Sossmar bei Hildesheim von Gen-Gegnern unbrauchbar gemacht worden. „Wenn wir den Widerstand länger aufrechterhalten, könnten wir Erfolg haben. Durch solche Aktionen konnte vor einem halben Jahr der Freisetzungsversuch von Monsanto-Gen-Raps bei Nienburg verhindert werden, warum sollte es hier nicht klappen?“meint Horst Hillen vom Aktionsbündnis.

Birgit Köhler