Aus dem Vereinsleben
: Erklecklich elektrisch

■ Nachhaltige Hausbesuche: Hinterhof, Kinderhaus und Kellerclub

Statt House mal Home mit Klängen aus der Plattenkiste: Easy-Listening-DJ Karel Duba, von Haus aus Kunstmaler, macht zweimal die Woche seine Friedrichshainer Hinterhof- Zweiraumwohnung mit Außenklo zur In-Kneipe Dark-Shark- Bar. Das Ambiente: Christbaumkugeln unter Stuck, erklecklich-eklektizistische Kunstobjekte vom veredelten Sperrmüllfund bis zum Malevitsch-Plagiat. Im morbiden bürgerlichen Interieur sammeln sich Gäste vom billigbierversessenen Exhausbesetzer bis zum kunstberufenen House-Szene- Gänger. Hausherr Karel Duba serviert Vinyl wie bei Muttern, zwischendurch auch gern ein wenig Schellack vom elektrischen Grammophon und findet gar noch Zeit zur lakonischen Schöner-Wohnen-Beratung. (Mit Blick auf die orange WG- Küche gegenüber: „Die haben voll versagt bei der Wischtechnik. Da fühlt man sich ja in jeder Kneipe wie zu Hause.“)

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Wieder Platte, aber diesmal Bauten. Im Kinderhaus Hohenschönhausen playbackten die „First Ladies“ ohne Gage. Bella Donner, Martha Harry, Gilda Gold und Welgunde Volz gaben fast alles für den guten Zweck. Die Travestieshow war nicht jugendfrei, aber für die Jugendlichen. Denn das Kinderhaus braucht 50.000 Mark, damit 150 Kids ins Sommerferienlager nach Tschechien fahren können. An der Tür stand einer von ihnen: Ronny, fein mit Schlips und Jacket. Ansonsten tummelte sich das ausgewachsene Platten-Volk im Kinderhaus. Die gedoubelte Nana Mouskouri begeisterte wie das Nonnentrio mit Red Ribbons. „Wir haben sie in der Hand“, stöhnt Gilda, Bella preßt sich in den Schoß einer dauergewellten Blondine, und Martha seufzt den Schlager „Ich bin eine Dame, Sie Arschloch“. 70 Karten für 2.500 Mark hatte Kassenwart Ronny an diesem Abend verkauft. 8.000 Mark waren es bei der letzten Benefiz- veranstaltung. Fehlen noch 39.500 Mark. Schluchz!

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Seriösen Drum 'n' Bass rockte die Crowd im Icon, Cantian- Ecke Milastraße. Das Junglemania, ehemals Acud, rief zur 800-Tage-Feier. Die Berliner All-Stars legten auf, die Marmelade pumpte, alle waren phett, glücklich und hektisch zufrieden. Die Jungs trugen Armeehosen und Kapuzenpullis, die Mädchen waren eher uneinheitlich beschuht. Platteaux-Sohlen gingen mit kurzen Röcken, Turnschuhe mit Khakis. Als Mittzwanziger gehörte man zu den Älteren ohne beäugt zu werden, da man das Alter mit den DJs teilte. Dieser diffuse Macherbonus garantierte ohnehin Narrenfreiheit beim Outfit. Eine simple Plattentasche reichte, Inhalt egal. Ohnehin hingen die Älteren eher ab, während die Jüngeren tanzten. Nur die Schwingtür zwischen den beiden Tanzflächen bereitete Probleme beim cool bleiben. Sowohl der energische Schwung als auch das bedröhnte Fallen verunmöglichten, die Contenance zu wahren. Euer B. Richter