Kater nach dem Goldrausch

Kaum einer glaubt in Indonesien noch an den „Jahrhundert-Goldfund“ der kanadischen Firma Bre-X – Tod des Entdeckers gibt Rätsel auf  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Die Affäre um den „größten Goldfund des Jahrhunderts“ auf der Insel Borneo hat alle Zutaten zu einem guten Thriller: Seitdem der Geologe und Entdecker des vermeintlichen Schatzes, Michael de Guzman, auf mysteriöse Weise ums Leben kam, wachsen die Zweifel. Ist der Tote in seinem Grab wirklich Guzman selbst? War es Selbstmord oder in Wirklichkeit Mord? Oder hat Guzman geschickt sein Abtauchen inszeniert?

Noch immer ist unklar, wieviel Gold tatsächlich im indonesischen Busang schlummert. Hat die kleine kanadische Explorationsfirma Bre-X Minerals, zu der Guzman gehörte, sich nur geirrt, als sie der Welt über ihren wunderbaren Fund von 71 Millionen Unzen Gold berichtete? Oder hat sie Investoren mit der Aussicht auf schnellen Reichtum geblendet und geschickt ausgenommen?

Noch vor wenigen Wochen schien alles prächtig zu laufen für die Kanadier: Ein internationales Konsortium machte sich daran, den „Schatz von Busang“ zu heben. Beteiligt waren außer Bre-X auch der indonesische Staat, einige mit der Familie des Präsidenten Suharto verbundene Unternehmen und der US-Bergbaugigant Mac RoRan Copper & Gold. Damit endete ein langes Gerangel zwischen zwei Suharto-Kindern und ausländischen Interessenten, in dem die Kanadier geschickt vermittelten – denn ohne Suhartos Familie geht nichts. Dem großen Geld schien nichts mehr im Wege zu stehen. Wie im Rausch kauften internationale Anleger Aktien der kleinen Bre-X. Der Ruhm des Busang-Feldes beflügelte sogar die Aktienkurse völlig unbeteiligter Explorationsfirmen, die auf Borneo nach Metallen suchten.

Doch dann kam der Absturz: Der philippinische Leiter des Geologenteams, Michael de Guzman, fiel am 19. März auf dem Weg nach Busang, hoch über dem Dschungel von Borneo, aus dem Hubschrauber. Sofort bemühte sich Bre-X um Schadensbegrenzung und erklärte der geschockten Öffentlichkeit, der 41jährige habe Selbstmord begangen. Man habe einen Abschiedsbrief gefunden, in dem er schrieb, daß er an einer schweren Hepatitis B leide. Die Dschungel von Borneo sind unwegsam: Vier Tage brauchte es, bis der völlig unkenntliche Leichnam geborgen werden konnte.

Der Börsencomputer hielt dem Ansturm nicht stand

Eine Woche später gab Bre- X-Chef David Walsh zu, daß die Minen „möglicherweise“ weniger Gold enthielten als zuvor angekündigt. Bei der Analyse der Bodenproben seien leider einige Fehler unterlaufen. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Wer Bre-X-Aktien besaß, versuchte sofort zu verkaufen. Die Computer an der Börse von Toronto hielten den Ansturm nicht aus und brachen zusammen. Mit einem Schlag sank der Aktienwert von Bre-X um 3 Milliarden Dollar.

Nun erinnerten sich Experten plötzlich wieder an frühere Zweifel: Unabhängige Kontrollen hätten schon 1996 wenig oder kein Gold ergeben, hieß es. Zudem sei es doch sehr verdächtig, daß die kanadische Firma behauptet, sie habe einen wichtigen Teil ihrer Unterlagen bei einem Brand am 20. Januar verloren. Andererseits genossen Guzman und die Firma Bre-X bis dahin keinen schlechten Ruf, sie hatten vorher bereits kleinere Minen gefunden, die ertragreich sind. Bre-X' Geschäftspartner Freeport versucht derzeit – von einem bewaffneten Sicherheitsdienst vor Journalisten geschützt und begleitet von Videokameras – Bodenproben in Busang zu nehmen und zu analysieren, um herauszufinden, ob er auf einen gigantischen Schwindel hereingefallen ist. Verläßliche Resultate sind erst in einigen Wochen zu erwarten. Der indonesische Nusamba-Konzern des Suharto-Freundes Bob Hasan hat bereits angekündigt, man werde sich möglicherweise aus Busang zurückziehen.

Die ersten Ergebnisse sind entmutigend: An mehreren Stellen, an denen Bre-X bis zu vier Gramm Gold pro Tonne Erde gefunden haben will, konnte Freeport höchstens ein Zehntelgramm ausmachen. Ein böser Verdacht wird laut: Bre-X habe seine Proben mit Gold aus anderen Quellen angereichert. War es also schlechtes Gewissen oder Furcht vor Entlarvung, was Michael de Guzman zum Sprung aus dem Hubschauber trieb? Freunde und die Familie Guzmans bezweifeln die Version, daß er wegen seiner Krankheit nicht mehr leben wollte. Guzmans Ehefrau, sechs Kinder und mehrere Geschwister leben auf den Phlippinen. Nach Recherchen des Wall Street Journal (WSJ) war der Geologe noch im Februar ärztlich untersucht worden. Er habe seiner Familie fröhlich die Ergebnisse geschickt – trotz Hepatitis sei er fit. Wie gesund und lebenslustig er wirklich war, fand seine philippinische Frau erst nach dem Tod heraus. Ihr Mann hatte in verschiedenen Orten Indonesiens, wo er schon lange nach Metallen suchte, noch drei Frauen geheiratet – die letzte erst 1996. Der zweiundzwanzigjährigen Lilis de Guzman, die in der Minenstadt Samarinda lebt, hatte er laut WSJ noch wenige Tage vor seinem Tod einen Liebesbrief geschrieben und versprochen, sie bald zu besuchen.

Die Leiche wurde anhand der Jeans identifiziert

Niemand in seinem großen Freundeskreis fand ihn deprimiert, kaum jemand glaubt auch an Selbstmord. Ist er also aus dem Hubschrauber gestoßen worden? War außer ihm, dem Hubschrauberpiloten und einem Techniker noch jemand an Bord? Im tropischen Klima Indonesiens wuchern Gerüchte und Zweifel üppig: Ist Guzman an jenem 19. März wirklich mitgeflogen? Ist er tatsächlich tot? Als de Guzmans Leiche gefunden wurde, konnte ihn ein Kollege seines Teams nur noch anhand seiner Jeans identifizieren. Die indonesische Zeitung Media Indonesia berichtete in der vergangenen Woche, der Tote in Guzmans Grab sei ein Fremder. Der Zahnarzt des Geologen habe erklärt, das Gebiß sei nicht das Guzmans. Der Fall ist noch lange nicht abgeschlossen.