Reisefreudige Fruchtfliegen

Tierische Einwanderer: Vieles, was in Hamburg kreucht und fleucht, stammt aus fernen Ländern. Der Papagei im Alstertal etwa  ■ Von Achim Fischer

Hamburg hat einen Zoo, ist aber keiner. Oder vielleicht doch? Schon mal die grünen Papageien im Alstertal gesehen? Oder die nordamerikanischen Termiten unterm Amtsgericht?

„Neozoen“nennen BiologInnen solche Exoten. Neozoen sind „Neu- und Wiedereinwanderer“. „Das können zugewanderte Tiere sein“, sagt der Hamburger Zoologe Professor Michael Dzwillo. Zum Beispiel die Türkentaube. Die kam aus Vorderasien über die Türkei nach Mitteleuropa. In den 50er Jahren brüteten die ersten Paare in Deutschland. „Heute ist die Türkentaube bei uns gang und gäbe“, so Günther Helm von der staatlichen Vogelschutzwarte. Es ist „eine kleine, zierliche Taube“, auch für Laien leicht zu erkennen. „Recht schlichtfarben bis auf die weißen Außenschwanzfedern.“

Neozoen können aber auch „eingeschleppte Tiere sein“, so Professor Dzillo weiter. Schlepper sind Menschen wie Du und ich. Die öfter mal auf die Seychellen fliegen, Kokosnüsse kaufen, mit nach Hamburg zurücknehmen, Kokoßnüsse aufmachen, eklige Fliegen im zermatschten Kokoßnuß-Fleisch entdecken, Kokoßnuß wegschmeißen und schwups, schon ist es passiert. Die Matschfliegen haben ein neues Zuhause.

Auch die Fruchtfliegen des Mittelmeerraumes zeigen sich reisefreudig. Beliebte Verkehrsmittel sind unter anderem Mangos, Orangen und Oliven. Udo Wellenschloh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hygienischen Institut, weiß Matschfliegens Flügel zwar je nach Art als „hübsch gemustert“zu schätzen. Verleugnet aber auch nicht handfeste Probleme. Die Fliegen können genauso wie manche Käfer (“Speisebohnenkäfer“) oder Motten (“tropische Speichermotte“) „erhebliche Schäden“in Lebensmittel-Lagern anrichten.

Weniger gemustert, dafür umso bunter geben sich grüne Halsbandsittiche ganz friedlich. Seit Mitte der 80er Jahre werden unsere gefiederten Freunde schon in Hamburg gesichtet. Vermutlich ist damals ein Päarchen seinem Halter entflogen. Die Papageien bevorzugen das Alstertal. Zur Zeit gibt es schätzungsweise 30 Tiere, die den letzten Winter überleben konnten. Ihre Leib- und Magenspeise: im Frühjahr Knospen, später Obst. Beides gibt's auch im Norden reichlich.

Nur mollig warm wird es für die Halsband-Träger hier noch nicht. Ihre Verwandten im Rheintal haben es da schon besser. Allein in Köln zum Beispiel wird die Zahl der grünen Sittiche auf 300 geschätzt. Dafür gibt es in Hamburg einen „Boom beim Wassergeflügel“, so eine Uni-Biologe, „in der Regel Entenarten“. Die meisten verstünden sich gut mit den alteingesessenen Nachbarn. Nur eine mag die Spielregeln nicht recht einhalten: eine kanadische Gans, „die die Angewohnheit hat, andere aus ihren Revieren zu vertreiben“.

Da sind Regenwürmer doch chon viel friedlicher. 29 Regenwurmarten hat eine Biologie-Studentin für ihre Diplom-Arbeit unter Hamburgs Innenstadt-Bäumen gezählt. Viele davon stammten aus anderen Ländern. Multi-Kulti im Untergrund also. Und es funktioniert.