■ Gruppeninteressen von Diplomaten in New York
: Die UNO und die Knöllchen-Krise

Neben den laufenden Krisen, Kriegen und Problemen wird sich die UN-Vollversammlung Ende des Monats mit einem weiteren Konflikt befassen müssen, wenn die Gegner nicht zur Vernunft kommen: um Knöllchen.

Die Stadt New York liegt im Clinch mit den Diplomaten der Weltorganisation, weil die parken, wie es gerade paßt: im Parkverbot, vor Einfahrten, in zweiter Spur und selbst vor den heiligen Hydranten der städtischen Feuerwehr. Und dann wollen die Fahrer mit den besonderen Autokennzeichen noch nicht mal die fälligen Strafzettel bezahlen. Über 100.000 Knöllchen waren es im vergangenen Jahr, mehrere Millionen Dollar sind auf diese Weise zusammengekommen. Das heißt: sind sie nicht, pochen die Parksünder doch auf ihre diplomatische Immunität.

Dem New Yorker Bürgermeister Rudolph W. Giuliani ist längst der Geduldsfaden gerissen. Das kommt an: Der Mann hat ein Image als Retter der Stadt vor Verbrechen und Unordnung zu verteidigen, und im November stehen Neuwahlen an.

Anfang des Monats trat ein Abkommen in Kraft, das die Krise beenden sollte – ein fehlgeschlagener Befriedungsversuch. Zuständig für die Weltorganisation auf amerikanischem Boden ist das US-Außenministerium, und mit dem konnte sich Bürgermeister Giuliani zunächst einigen. Die Stadt wollte die Not der Diplomaten lindern und 111 neue Parkflächen um das UN- Gebäude bereitstellen. Im Gegenzug sollte das State Department die Autokennzeichen von Diplomatenwagen einziehen, für die seit einem Jahr keine Strafzettel bezahlt wurden.

Ein Sturm der Entrüstung in der UN-Zentrale war die Folge. Auch dieser Plan verletze ihre diplomatische Immunität, empörten sich die Botschafter und Konsularbeamten. Der zuständige Mann im State Department zeigte sich einsichtig: Womöglich habe das Abkommen internationales Recht gebrochen. Die Stadt möge doch ein paar Veränderungen vornehmen.

Die Stadt will aber nicht. Statt dessen schickte sie einen scharfen Brief nach Washington und drohte, dann werde es eben auch keine neuen Parkplätze geben. Bürgermeister Giuliani: „Ich hoffe, das State Department macht keinen Rückzieher.“

In der UN-Zentrale erreichte die Krise unterdessen die Ausschuß-Ebene, nämlich das UN- Komitee für Beziehungen zum Gastland. Dort kam es zum Schwur unter den Delegierten: 13 Stimmen erhielt der Vorschlag, den Konflikt vor die Vollversammlung zu bringen – und möglicherweise vor den Internationalen Gerichtshof. Dagegen: USA. Enthaltung: Großbritannien. Wenigstens blieben so die alten Allianzen bestehen.

Spöttische Reaktionen bei den Stadtvätern: Bürgermeister Giuliani stellte fest, das Abkommen über den UN-Gerichtshof sehe wohl kaum „Verhandlungen über die Gruppeninteressen von Diplomaten vor“. Sein Stellvertreter meinte, die Vollversammlung sollte sich besser mit dem Bürgerkrieg in Zaire befassen. Was den UN-Botschafter Zaires veranlaßte, die Stadt New York auf die Sicherheitsprobleme ihrer BewohnerInnen hinzuweisen. Die Krise eskaliert.

Den bislang letzten Schachzug führte erneut Giuliani: Er ließ seine Juristen prüfen, wem eigentlich das Gelände der UN-Zentrale gehört. „Schließlich ist es eines der wertvollsten Grundstücke auf der Welt.“ Und in Richtung ungenannter Diplomaten sagte Giuliani: „Wenn Sie New York wegen Strafzetteln verlassen wollen, können wir auch eine andere Bestimmung für das Gelände finden...“ Andreas Rostek