■ Miniröcke? Nacktfotos? Für Ina Deter ein Rückfall in das Bedienen weiblicher Klischees. Für Lemonbaby Diane Weigmann und Rapperin Aziza-A Ausdruck von Selbstbewußtsein. Ein Musikerinnen-Gespräch über Girlies, Schlampen und Emanzen
: „Ich hab's nicht mehr nötig, herumzuzicken“

Ina Deter (Jahrgang 1947) gründete 1962 ihre erste Mädchenband, schrieb 1974 ihren ersten Song „Ich habe abgetrieben“, landete zwei Jahre später mit dem Lied „Wenn du so bist wie dein Lachen“ beim Grand Prix de la Chanson auf dem zehnten Platz und schuf in den 80ern mit „Neue Männer braucht das Land“ die definitive Hymne der deutschen Frauenbewegung. Nach mehrjähriger musikalischer Pause veröffentlichte sie im März überraschend auf ihrem eigenen Label ihr 13. Album „Mit früher ist heute vorbei“, das sie seit dieser Woche auch live präsentiert.

Diane Weigmann (Jahrgang 1973) gründete vor acht Jahren mit zwei Freundinnen die Berliner Trash-Pop-Band Lemonbabies, die auch ohne Plattenvertrag fleißig durch die Lande tourt und sich weiterhin unermüdlich gegen ihr Girlie-Image wehrt.

Aziza-A (Jahrgang 1971), deutsch-türkische Rapperin mit Fernseherfahrung („Dr. Mag Love“), bastelt derzeit an ihrem ersten Album, das im Juni erscheint.

Die drei Musikerinnen trafen sich auf Einladung der taz in Berlin-Kreuzberg, um über ihr weibliches Selbstverständnis, Männerwelten und Frauenbewegungen zu diskutieren.

Ina: Also, Aziza-A kenne ich ja inzwischen. Schade, daß ich noch nichts von den Lemonbabies gehört habe. Wie würdest du eure Musik einstufen?

Diana: Popmelodien, etwas härtere Gitarren, lustige Ideen, nicht superalltäglich, Texte über Themen, die uns beschäftigen, also Liebe, Eifersucht und alles, was mir in meinem 23jährigen Leben so begegnet ist. Trashiger Pop.

Ina: Spielt in euren Texten die spezifische Sicht des Frauseins eine Rolle?

Diana: Ich glaube, daß unsere Generation es so selbstverständlich nimmt, Frau zu sein und zu machen, was sie will, jedenfalls diejenigen, die so aufgewachsen sind wie wir, daß sie gar nicht mehr groß darüber nachdenken. Wir schreiben einfach über das, was uns passiert, aber wir nehmen uns nicht vor, ich muß das jetzt bewußt aus der Sicht einer Frau schreiben, ich muß das auch Männern verständlich machen. Wir schreiben einfach, was uns in den Sinn kommt, egal, ob das manchmal Männern gegenüber unterdrückend ist oder ob es Songs über Powerfrauen sind. Es hängt von meiner aktuellen Gefühlslage ab, ob ich mich als liebes Anhängsel fühlen will oder als starke Frau. Wir haben genauso Anschmachttexte – „Ich liebe dich, komm doch zurück zu mir“... – wie Texte über Waschlappen.

Ina: Die Zeiten haben sich geändert. Wir mußten damals erst einmal klarstellen, Liebe-Triebe- Herzschmerz läuft nicht mehr, ich bin nicht Mary Roos oder Wenke Myhre, ich habe ein anderes Selbstverständnis.

Diane: Ich denke, jedes Mädchen unserer Generation weiß das zu schätzen, daß es Frauen wie dich gab, die Vorreiterinnen waren, die gesagt haben: Scheiße, ich bin jetzt nicht mehr die liebe, süße Blonde oder die lustige Hausfrau mit den soften Liedern. Jedem Mädchen unserer Generation ist schon bewußt, daß Frauen wie du dafür gesorgt haben, daß wir uns darüber keine Gedanken mehr machen müssen, daß wir ernst genommen werden, egal, was wir singen und wie wir uns präsentieren.

Ina: Das klingt jetzt gut, nur leider habe ich andere Erfahrungen gemacht. Wenn ich an die Diskussion über die sogenannten Girlies denke, da kommt mir der kalte Kaffee hoch. Wenn ich Heike Makatsch im Spiegel verbreiten höre: „Ich brauche doch keinen Autoreifen zu wechseln, ich stelle mich einfach an den Straßenrand, und dann hält schon irgendein Typ an und macht das für mich.“

Diane: Natürlich ist das blöd. Ich fände es schon gut, wenn ich dann meine Reifen selber wechseln könnte. Aber falls ein Typ auftaucht und es machen will, lasse ich ihn auch gerne. Also, ich überlege mir nicht ständig, wie ich mich als Frau verhalten muß, was ich nicht darf. Ich mache es einfach.

Aziza-A: Ihr habt damals den Grundbaustein gelegt, und wir bauen nun weiter, aber auf unsere Art und Weise.

Ina: Dann frage ich mich, wieso es Frauen heute nicht mehr schaffen, für ihre Interessen auf die Straße zu gehen wie zum Beispiel gerade die Kumpel im Ruhrgebiet? In Wirklichkeit ist ja nicht alles selbstverständlich. Im Bundestag kannst du die Frauen an den Fingern abzählen. In den Aufsichtsräten mächtiger Konzerne sitzen so gut wie keine Frauen. Auf dem Arbeitsmarkt werden Frauen längst wieder massiv verdrängt und auf Küche und Kinder orientiert. Es gäbe genügend Gründe für eine neue, starke Frauenprotestbewegung. Und da paßt auch diese Girlies-Diskussion gut hinein. Ich behaupte, das sind von Männern geschaffene Kunstprodukte, Powerfrauen, die Männern nicht weh tun, die mit den lästigen „zickigen Emanzen“ nichts zu tun haben wollen, die nicht so langweilig sind wie nur „brave“ Frauen, aber gleichzeitig an die Männer keine Anforderungen mehr stellen.

Diane: Klar, das hat man uns natürlich auch immer wieder gefragt, zwei Jahre nachdem der Trend vorbei war: Seid Ihr Girlies? Klar tragen wir Miniröcke auf der Bühne, weil wir uns darin schön finden. Klar tragen wir bunte Sachen, das ist modern. Warum soll ich mich in schwarze Säcke hüllen oder mich bewußt unfeminin anziehen, nur um ernst genommen zu werden? Wenn mir jemand bei einem Auftritt die ganze Zeit nur auf die Beine oder die Titten starrt, anstatt auf die Musik zu hören, ist das sein Problem, nicht meines.

Aziza-A: Wenn eine Frau sich im Minirock auf die Bühne stellt, heißt es gleich, sie setzt ihren Körper ein. Das ist scheiße. Völlig scheiße. Ich muß mich doch nicht dafür rechtfertigen, was ich auf der Bühne trage. Bei Männern wird das nie unterstellt.

Diane: Natürlich haben wir anfangs auch unsere Körper, unser Geschlecht eingesetzt. Wir hatten Erfolg, weil wir Frauen waren, nicht weil wir besonders gut gespielt haben. Richtig erarbeitet, verdient haben wir unseren Erfolg erst später. Aber es war uns egal. Musik machen, weil man Spaß daran hat, nicht erst monatelang im Probenraum zu hocken, um den Jungs zu beweisen, ich kann mehr als drei Akkorde. Sich auf die Bühne stellen, obwohl man es eigentlich noch nicht richtig kann, das ist Selbstbewußtsein. In dem Moment, in dem du meinst, jemandem etwas beweisen zu müssen, drückst du dich selbst in die untergeordnete Rolle. Wenn mir heute so ein Gitarrenkünstler sagt, Ihr hättet wohl mehr üben müssen, dann antworte ich dem: Halt du erst mal mit deiner Band acht Jahre durch wie wir. Guck dir doch diese unzähligen Männerbands an, die nie aus dem Probenraum rauskommen, in deren Songs ein Solo das nächste jagt, und einer post wie der andere. Der Song dauert sieben Minuten, und du hast davon nichts mitbekommen, weil jeder jeden ausstechen will.

Ina: Also Ihr wollt nicht in die Girlie-Schublade?

Diane: Nein, natürlich nicht. Es nervt uns, jedesmal neu erklären zu müssen, wir liefen schon jahrelang so herum, bevor die ersten Girlies auftauchten. Aber ist Feminismus nicht auch so eine Schublade? Unter Feministen stellt man sich doch Frauen in lila Klamotten vor, die Männer scheiße finden.

Ina: Natürlich. Ich bin der männlichen Presse genauso ohnmächtig ausgeliefert wie Ihr. Wir haben damals das Image „Zickigkeit“ bekommen, weil wir den Männern lästig wurden mit unseren Forderungen. Wenn Ihr in eurem neuen Selbstbewußtsein sagt, leck mich am Arsch, aber keine Forderungen mehr stellt, nicht mehr auf die Straße geht, dann seid Ihr für Männer natürlich pflegeleichter und weniger gefährlich. Deshalb lieben es Männer, uns gegeneinander auszuspielen.

Diane: Aber da genau irren sich die Männer. Ich bin so selbstbewußt, daß ich es nicht mehr nötig habe, herumzuzicken, sondern ich kann Männer manipulieren. Wenn ich zu faul bin, etwas Bestimmtes zu machen, dann mache ich auf die Naive, und dann macht es jemand anders für mich. Ich habe also nicht immer das Bedürfnis zu beweisen, daß ich es auch selbst kann. Wenn mich jemand näher kennt, rafft der eh, daß ich nicht doof bin. Ich weiß, was ich kann, und muß das niemandem beweisen.

Ina: Ich bin viel zu stolz dazu, mich dümmer zu geben, als ich bin. Ich habe schon immer das Ding im Kopf, mich beweisen zu müssen. Uns hat man ja früher nichts zugetraut. Deshalb habe ich schon immer das Maul doppelt aufgerissen. Vielleicht auch, weil ich ja ansonsten nicht die Größte bin. Aber ich erinnere mich immer noch sehr schmerzhaft daran, erst geliebt zu werden, wenn man sich die Liebe erarbeitet hat. Wenn ich nur an unsere Geburtstagsfeiern denke, wo Onkel Heinz allen immer was zugetraut hat, nur den weiblichen Familienmitgliedern nicht. Da habe ich Trotz entwickelt: jetzt gerade, Ihr Arschlöcher!

Diane: Okay. Aber das ist eine Erfahrung deiner Generation.

Ina: Jetzt würde mich ja mal interessieren, woher du dein Selbstbewußtsein hast?

Aziza-A: Irgendwann bricht doch in jedem der ganz persönliche Egoismus aus, dann macht man einfach das, was man will.

Diane: Ich glaube, das ist heute viel einfacher als vor 20 oder 30 Jahren. Man wächst heute schon viel kritischer auf. Guck dir mal die „Lindenstraße“ oder andere Soaps im Fernsehen an, die Frauen, die da mitspielen, gerade die jungen, sind keine braven Mädchen, die sich unterdrücken lassen. Die haben Power und Selbstbewußtsein, und wenn junge Mädchen das heute sehen, lernen sie daraus, weil sie diese Rollen als Vorbild für ihr eigenes Verhalten nehmen. Zumindest in meinem Umfeld gibt es keine Frauen mehr, die alles mit sich machen lassen.

Ina: Einiges hat sich geändert, richtig. Es gibt heute Frauenverlage, Frauenhäuser, Kinderläden. Aber dennoch stagniert es seit Jahren, obwohl Frauen längst nicht in allen Bereichen gleichberechtigt sind. Nenne mir in Deutschland eine einzige Chefin einer großen Plattenfirma. Die gibt es nicht. Sie dringen langsam vor, werden Promotion- oder Marketingchefin, aber ganz oben sind sie noch nicht. Wenn du heute dein Demo-Tape zu einer Major Company schickst, entscheiden Männer über dein Produkt und dessen Vermarktung.

Diane: Das stimmt allerdings. Als wir mit unserer letzten Plattenfirma über eine neue Produktion verhandelten, fragte uns der Typ doch glatt, ob wir nicht in Zukunft auf der Bühne auch tanzen könnten. Das war's dann. Aber das ist eher ein Generationskonflikt als eine Geschlechterfrage. Mir ist das scheißegal, ob das Männer oder Frauen sind, die mein Tape beurteilen. Das Problem ist, daß es so wenige Junge in Führungspositionen gibt. Ich möchte jemanden, der so denkt wie wir und nicht noch an alten Rock-Standards hängt. Ein 30jähriger Product Manager lehnt heute keine Band mehr ab, weil darin Mädchen spielen. Die jungen Männer sind uns gegenüber sehr emanzipiert eingestellt. Aber in den Plattenfirmen entscheiden eben alte Männer. Das wird nicht dadurch besser, daß sie durch alte Frauen ersetzt werden. Diese ältere Generation muß erst mal aussterben. Sorry, Ina, aber die Leute aus deiner Generation, egal ob Frau oder Mann, können mit unserer Musik und mit unserer Art von Selbstbewußtsein nichts anfangen. Die müssen erst mal weg. Auf den unteren Rängen gibt es eine ganze Menge Frauen, die gut sind und sich hocharbeiten werden, denn im Endeffekt zählt ja doch nur, was jemand leistet.

Aziza-A: Das ist leider nicht so. Du kannst als Frau oft noch so gut sein und kriegst trotzdem keine Chance. Eine Frau, die oben ist, hat sich das normalerweise doppelt so hart verdient.

Diane: Aber das änderst du nicht dadurch, daß uns Frauen Nischen oder Sonderrechte eröffnet werden. Ich will nicht in einer Frauen-Reihe veröffentlicht werden oder nur bei Frauen-Festivals auftreten. Ich möchte völlig gleichberechtigt unter denselben Bedingungen produzieren und auftreten wie männliche Musiker auch.

Aziza-A: Ich finde Frauen-Festivals gut, weil es einfach völlig geil ist, mal eine Reihe stolzer Frauen auf der Bühne zu sehen. Aber wenn ich auf einem gemischten Festival auftrete, will ich nicht als Exotin, weil Frau, wahrgenommen werden. Natürlich sind die Typen auf mich oder auch Cora E. erst einmal neugierig, weil es kaum weibliche Rapper gibt. Aber wenn die Leute mich dann hören, sollen sie mich nach denselben Kriterien beurteilen wie männliche Musiker; ich will in den Zeitungen nicht ständig nur mit Cora E. oder TicTacToe oder Schwester S. verglichen werden, sondern auch mal mit Ice-T oder Public Enemy.

Diane: Das Ziel muß es sein, daß Frauen in Bands völlig normal sind. Ich habe viel Kontakt mit 15- bis 18jährigen Frauen, gehe oft in Jugendclubs, um mir die ganz jungen Bands anzuhören, und in immer mehr Bands spielt eine Frau. Es wird normal. In zehn oder vielleicht erst 20 Jahren achtet niemand mehr darauf, ob da eine Frau oder ein Mann Gitarre spielt.

Aziza-A: Es geht voran, aber sehr langsam. Der Stamm, den Ihr damals geschaffen habt, schlägt immer neue Äste.

Ina: Viele Frauen machen einzeln ihr Ding, aber es gibt keine breite Bewegung mehr, keine allgemeine Solidarität zwischen den vielen Einzelgängerinnen.

Diane: Ihr hattet mehr große Probleme, die Ihr miteinander teilen konntet. Paragraph 218 und anderes. Unsere Generation hat eigentlich nicht mehr wirklich große Probleme gemeinsam, für die viele auf die Straße gehen würden.

Aziza-A: Probleme gibt es mehr als genug, aber es sind existentiellere, die über das Frausein hinaus gehen. Guck dir das Elend auf den Straßen an, Armut, Arbeitslosigkeit, die ganze Umweltpolitik betreffen eben nicht nur Frauen. Aber jeder, der etwas weniger betroffen ist, dem es gerade noch gut geht, guckt schnell weg, versucht, sich seine heile Welt wenigstens noch etwas zu erhalten. Der Egoismus ist eindeutig stärker geworden, das sehe ich auch so.

Ina: Wir hatten noch ein Feindbild, gegen das wir aufmüpfen konnten. Ob das der Vietnamkrieg war oder die Verstrickungen unserer Eltern und Großeltern in der Nazizeit – eine der schlimmsten Erfahrungen, die mich ganz stark beschäftigt und geprägt haben. Heute sind die Feindbilder weg, und jeder wurschtelt so vor sich hin und kümmert sich nur noch um seine ganz persönlichen Sachen. Politik ist kein Thema mehr.

Diane: Ich brauche keine Feindbilder. Das einzige, was ich wirklich hasse, sind Leute, die so egoistisch sind, daß sie ihr Ding ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen. Aber ich muß zugeben, daß ich nicht so hochgradig politisch interessiert und informiert bin. Vieles ist mir einfach zu undurchsichtig, um mich ernsthaft darauf einzulassen. Ich habe auch meinen Kopf so voll mit meinem Beruf und Spaßhaben, daß ich weder Zeit noch Lust habe, mich auf längere Zeit politisch zu engagieren.

Ina: Aber das ist schade. Denn wenn alle, die soviel wie du im Kopf haben, darauf verzichten, politisch Einfluß zu nehmen, bleibt alles beim alten, das heißt, es wird schlechter. Wenn die, die nicht rechts denken, zum Beispiel im nächsten Jahr nicht zur Wahl gehen, weil sie diese Art von Politik nicht mehr interessiert, werden andere das politische Geschehen bestimmen. Deshalb habe ich jetzt auch den Grünen vorgeschlagen, wieder eine KünstlerInneninitiative, wie die „Grüne Raupe“ in den 80ern, zu starten, um alternativ denkende Leute zu motivieren, wählen zu gehen.

Farin: Vielleicht drückt sich politisches Bewußtsein heute einfach nur anders aus als in Demonstrationen, Parteienzugehörigkeit und Bürgerinitiativen?

Diane: Wenn du mit Kindern redest, dann kommt schon ganz viel Kritisches: Wir wollen saubere Flüsse, keine Radioaktivität, mehr Umweltschutz, keine Gewalt. Kinder sind da oft viel besser drauf als manche in meinem Alter, die den Dicken wählen, weil er so gemütlich wirkt und ihnen ständig was Neues verspricht. Kinder und Jugendliche sind heute schon vom Elternhaus her oft viel kritischer und ökomäßiger aufgewachsen als wir vor zehn Jahren.

Ina: Natürlich fällt mir auch immer wieder auf, bei Antikriegsaktionen oder den Castor-Blockaden neulich, daß da ganz überwiegend junge Leute dabei sind und sich auf die Schienen setzen und nicht meine Generation.

Diane: Ich erinnere mich noch, wie wir die Schule geschwänzt haben, um gegen den Golfkrieg zu demonstrieren oder später gegen die Atomversuche, obwohl wir wußten, daß wir dafür Tadel kriegen. Oder in meinem Freundeskreis, in den Clubs, in die ich gehe, wird höllisch darauf geachtet, daß da keine Nazis oder irgendwelche Schläger reinkommen. Ich weiß noch, früher gab es in Spandau eine Discothek, in die wir alle gerannt sind, es gab eben nur die eine. Irgendwann haben wir mitgekriegt, daß die keine Türken und keine Schwarzen reinlassen. Es ist keiner mehr da hingegangen. Wir haben den Laden echt boykottiert, so schwer es uns auch fiel. Wir haben sogar Handzettel verteilt. Irgendwann haben die eine neue Belegschaft gekriegt, die keine Nazis mehr duldet, jetzt gehen alle wieder hin. Bei unseren Konzerten handhaben wir das auch so. Da war einmal eine Gruppe Nazis im Club, und ich bin sofort zu dem Besitzer gegangen und habe ihm gesagt, entweder er schmeißt die raus, oder ich trete nicht auf.

Ina: Trotzdem finde ich, daß man diese Meinung nicht propagieren sollte: Es reicht, wenn ich in meinem persönlichen Umfeld agiere und die politischen Themen und Strukturen außen vor lasse.

Diane: Es geht ja nicht darum, das zu propagieren, es ist einfach so. Ich habe mein Ding mit der Musik und meinem Alltagsspaß gefunden und keinerlei Bedürfnisse, mich politisch zu betätigen. Natürlich diskutiert man oft über solche Themen, wenn besondere Anlässe sind, auch stundenlang, aber ich rufe danach nicht irgendeine Bürgerinitiative oder Partei an, um da mitzumachen. Und ich stelle mich auch nicht auf die Bühne und halte politische Reden. Weil ich dazu von Politik zuwenig Ahnung habe. Ich habe auch keine Probleme damit, ein Benefizkonzert für die Grünen zu machen. Aber was ich zu sagen habe, bringe ich in meinen Songtexten oder auch mal in Interviews, aber das sind dann ganz persönliche Erfahrungen.

Aziza-A: Ich habe auch eine Menge Erfahrungen weiterzugeben, eine Menge zu erzählen, deshalb mache ich auch Rap. Aber ich werde nie eine Frau von der Bühne herab auffordern: Kämpfe für dein Recht! Ich werde sagen: Sieh, wie du lebst. Wenn's dir so gefällt, dann ist es okay. Aber glaube mir, das ist nicht alles. Du könntest viel mehr machen. Ich gehe nicht auf die Bühne, um Frauen aufzufordern, was zu machen. Aber ich zeige ihnen, was ich mache, und ich zeige es ihnen einfach durch meine Taten: Das könnt Ihr auch, wenn Ihr nur wollt – auf eure Art und Weise.

Ina: Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute weigern sich einfach, erwachsen zu werden. Wie anders läßt sich diese ganze Comedy- und Talk-Kacke erklären, angefangen von den Doofen über Blümchen bis zu Bärbel Schäfer?

Diane: Ich liebe Soaps und Talkshows. Ich bin ein Fernsehkind, ich hatte schon in meinem Kinderzimmer immer einen eigenen Fernseher. Ich gucke gerne Fernsehen. Ich habe einen Großteil meines Wissens aus dem Fernsehen. Aber ich gucke auch Fernsehen, während ich esse, zum Ablenken und Abschalten. So wie andere Leute einen Comic lesen, gucke ich fern und amüsiere mich dabei über die schlechtesten Sendungen. Es ist ein Unterschied, ob du das glaubst und ernst nimmst, was im Fernsehen gesagt wird, oder ob du es als Spaß nimmst. Das ist wieder so ein Generationsunterschied: Der Humor unserer Generation ist viel größer und ganz anders als der deiner Generation. Wir lachen über Sachen, die eigentlich bitter sind. Ich lache auch gerne über gute Witze, die eigentlich nicht korrekt sind. Zum Beispiel Max Goldt: Keiner lästert so gut böse über Schwule ab wie er in seinen Büchern. Und am Ende erfährst du dann, daß der Typ selber schwul ist. Das ist guter Humor.

Ina: Euer Nacktfoto im Tip ist dann auch guter Humor?

Diane: Ja, und nicht nur, weil der Fotograf auch schwul ist. Ich finde das Foto sehr ästhetisch und abgefahren. Und ganz ehrlich: Hättest du nicht auch gerne von dir ein tolles Nacktfoto?

Ina: Da hätte ich nichts dagegen, aber ich weiß, daß ich das nicht an die Öffentlichkeit gäbe.

Diane: Das haben wir auch nicht. Der Tip hat das illegal veröffentlicht, und deshalb läuft auch jetzt ein Verfahren.

Ina: Wenn ich so ein Foto sehe, sage ich mir, die Band kannst du vergessen.

Diane: Das ist genauso intolerant, wie du es den Männern vorwirfst. Warum traust du mir keine spannende Musik, kein Selbstbewußtsein mehr zu, nur weil ich ein Nacktfoto gemacht habe?

Ina: Weil du damit die alten sexistischen Klischees bedienst, mit denen Frauen seit Jahrzehnten vermarktet wurden, und das hat eine selbstbewußte Frau heute nicht mehr nötig.

Diane: Aber das ist mir völlig egal, welche Klischees ich bediene. Wenn ich vom Playboy ein Angebot bekäme, würde ich das vielleicht auch machen, wenn ich Lust darauf hätte. Ich muß mich nicht rechtfertigen. Das hat auch was mit Selbstbewußtsein zu tun und nicht mit Anpassungsverhalten und Vermarktungsinteressen. Ich würde das Foto auch niemals aufs Plattencover packen oder als offizielles Promotion-Foto verbreiten.

Aber andererseits: Warum muß man sich soviel Gedanken über sein Image machen? Warum darf Michael Jackson nicht seinen Affen ficken? Er hat Musikgeschichte gemacht, auch wenn ihn alle möglichen Leute ständig fertigmachen, weil er nach jeder Schönheitsoperation blasser aussieht. Warum muß er sich so einen Kopf um sein Image machen? Warum soll ich mit schwarzen Hängeklamotten von unseren schönen Gesichtern ablenken? Warum die Leute nicht einfach kommen lassen? Dann können sie selbst merken, ob ihnen unsere Musik gefällt oder nicht.

Wir waren es zum Beispiel damals leid, in Interviews ständig gegen dieses Girlie-Klischee anzurennen und doch immer wieder in diese „Blond und süß, aber doof“- Schublade gesteckt zu werden. Also haben wir unsere Platte „Pussypop!“ genannt, und eigentlich sollte sie sogar „Fotzenbonus“ heißen. Hättest du's verstanden? Wahrscheinlich hättest du uns gehaßt. Aber mit dem Titel war denen, die etwas intelligenter sind und unsere Musik genauer anhören, klar, wie wir dazu stehen. Und bei den anderen, Bild, B.Z. usw., die's nicht geschnallt haben oder sich lieber an ihre Klischees geklammert haben, wußten wir, daß wir für die nun keine Energie mehr verschwenden müssen. Früher habe ich mir bei jedem Interview den Mund fusselig geredet, um die Typen zu überzeugen, wie ich das Ding sehe, und dann stand im Blatt doch wieder derselbe Mist drin, und ich habe mich noch mal geärgert. Heute sage ich nur cool unserem Manager, mit dem mache ich kein Interview mehr; wenn er schon Mist schreiben will, soll er sich den gefälligst alleine ausdenken. Aus! Ich rege mich nicht mehr ewig darüber auf. Entweder jemand will es begreifen oder nicht.

Ina: Aber gerade die haben die meiste Macht...

Diane: ...aber nur für Doofe, und doofe Leute interessieren mich nicht. Ich will nicht jeden ansprechen. Ich will nur intelligente Menschen in meinem Publikum. Die anderen können mich ruhig hassen oder für doof halten und zu TicTacToe gehen.

Ina: Aber du wirst immer wieder mit dem einmal gefestigten Image konfrontiert. Ich bin immer noch die Lila-Latzhosen-Trägerin, die „Emanzenzicke“, die „Kindsmörderin“, weil ich einmal gewagt habe, mich so hinzustellen.

Diane: Aber möchtest du wirklich ein Positiv-Image haben wie Claudia Schiffer? Du hast immerhin Hunderttausende von Platten verkauft und damit Leute erreicht, die dich richtig verstanden haben. Sicher gibt es genauso viele, die dich hassen. Aber genau das ist doch das Ding: Über negative Sachen regen sich die Leute auf, setzen sich damit auseinander. Wenn ich ein Image habe von der kleinen Schlampe, die sich nackt in der Zeitung abbilden läßt, und genau so viele Leute wissen, ich stehe angezogen auf der Bühne, kann inzwischen sogar gut Gitarre spielen und habe auch sonst eine Menge drauf, dann ist das okay.

Ina: Da ist eure Generation uns einen Schritt voraus. Mich hat das schon verletzt, wenn Feministinnen stets als schrecklich, absolut unerotisch...

Diane: ...mit Haaren unter den Armen bis zu den Knien...

Ina: ...und männerhassend dargestellt wurden. Daß Ihr euch daraus einfach nichts mehr macht, ist schon ein großer Vorteil.

Diane: Ich weiß doch selbst am besten, was ich kann und was nicht. Wir hatten Auftritte, die sind in die Hose gegangen, weil wir nicht richtig spielen konnten. Warum soll ich mich heute noch dafür schämen? Kein Künstler sollte sich für ein Bild schämen, das er mit 15 gemalt hat, nur weil er mit 35 besser ist. Ich weiß, daß wir immer noch nicht so gut sind, wie wir sein könnten. Aber ich merke, wie wir jeden Tag ein Stück besser werden und das, was wir im Kopf haben, immer besser mit unseren Instrumenten ausdrücken können. Das ist doch ein tolles Gefühl zu wissen, ich bin heute noch nicht so gut, wie ich morgen sein werde. Moderation: Klaus Farin