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: Station 17

Wir sind alle Behinderte. Ob wir nun nicht alleine denken oder nicht alleine essen, nicht leicht lieben oder selbstverständlich trösten können, ob wir Hilfe beim Anziehen oder beim Kennenlernen, fürs Zähneputzen oder fürs Selbstbewußtsein brauchen – der Mensch an sich ist bedürftig, und die schlimmsten Behinderungen sind die krampfhaft vertuschten. Ansonsten gibt es nur Grade der Inanspruchnahme von Hilfe. Dennoch existiert die Gemeinschaft der Behinderten nicht oder nur in kleinen Gemeinden, die schnell von außen mit Lob umzäunt sind.

Station 17, deren Tournee vor zwei Jahren von einem Filmteam begleitet wurde, ist dagegen ein Projekt, das den Verschlag der Schulterklopfer nicht nur verläßt, sondern in den Boden stampft. Denn bei allen Schwierigkeiten, die ein Zusammenleben von gesellschaftlich beaufsichtigten und frei herumlaufenden Behinderten mit sich bringt, ist dieses Kunstprojekt aus der Stiftung Alsterdorf auf gemeinsamen Stolz begründet.

Die verschiedenen Bands, die aus Pflegern und Bewohnern bestehen, sind keine Scheiß-Soz.Päd.-Unternehmungen, sondern Bands. Und wenn man, wie in dem Tourneefilm von 1995, teilnehmen kann an dem musikalischen und zwischenmenschlichen Zunder, der hier entfacht wird, dann ist das lustig, erhaben und höchst unterhaltend. Und zwar einfach durch das Fehlen von Krampf.

Auftritte in Dresden, Hof, Frankfurt oder Graz, Backstage- und Gute-Nacht-Betrachtungen, Real-World-Kino im Bus, bei Zärtlichkeiten oder Telefonaten, alle Beobachtungen dieses 76minütigen Films sagen: „So kanns gehen“und hinterlassen eine staunende Euphorie über soviel gute Musik. Und vergeßt Mamas Moralaposteltum im Stil von „Über Behinderte lacht man nicht“! Denn etwas mehr Humor mit uns selbst können wir alle gebrauchen. tlb Lichtmeß