Wenn ich König von Deutschland wäre

■ Gibt es denn keinen Weg aus der Krise?

Eine gewisse Politikverdrossenheit wurde der Jugend von jeher vorgeworfen. Diese Diagnose veränderte sich im Lauf der Zeit aber zu einer echten Politikverdrossenheit. Da die Köpfe der Poliker kaum wechselten, und ihre Inhalte erst recht nicht, resultiert daraus nun eine kombinierte Politik-Politikverdrossenheit. Die Zukunft gestaltet sich nicht mehr als Schlaraffenland ungebrochenen Aufschwungs, und die Jugend blickt ängstlich auf ihre beruflichen Zukunftsperspektiven. Aber gibt es denn wirklich nichts, was man für unseren ach so wichtigen Wirtschaftsstandort Deutschland tun kann?

Eine halbherzige Reformpolitik, deren bester Ansatz die Senkung der Körperschafts- und Einkommenssteuer ist, hilft uns sicherlich nicht aus der Krise, wenn diese Entlastungen durch etliche neue Belastungen zunichte gemacht werden. Und die einzigen wirklichen Gewinner der Reform sind die Spitzenverdiener, weil der Spitzensteuersatz gesenkt wird. Sicherlich muß auch das sein, damit das Kapital im Land bleibt. Aber nur eine Entlastung von Spitzenverdienern, die ihr Vermögen auf dem Kapitalmarkt anlegen, schafft weder eine verstärkte Nachfrage nach Investitions- noch nach Konsumgütern. Das ganze ist nicht mehr als ein netter Ansatz, der uns ungefähr genauso weiterhilft wie eine sture Blockadepolitik mitsamt ihren taktischen Wahlkampfspielchen und ohne eigene Alternativen. Die momentan diskutierten Reformen würden uns bestenfalls einen Aufschub vor dem Kollaps verschaffen, aber keine langfristige Lösung der Probleme darstellen.

Neuseeland hat uns vorgemacht, wie es gehen kann. Dieser kleine Inselstaat steckte Ende der achtziger Jahre in einer tiefen Wirtschaftskrise mitsamt einer galoppierenden Inflationsrate, und der Staat stand vor einer Finanzkatastrophe. Was taten sie? Genau das Gegenteil der von uns so hochgehaltenen keynesianischen Wirtschaftspolitik, welche die Notwendigkeit staatlicher Einflußnahme in die Wirtschaft beschreibt. Die staatliche Einflußnahme wurde auf allen Ebenen zurückgeschraubt und die Eigenverantwortung der Bürger für ihren Lebensunterhalt wurde gestärkt.

Neben vielen anderen Maßnahmen wurden zum Beispiel nur noch Mindestlöhne festgelegt und Arbeitnehmer mußten nun selbst verhandeln. Dies führte allerdings nicht zu einem befürchteten allgemeinen Lohnrückgang, sondern zu einer Entlohnung, die sich wieder stärker an der Qualifikation orientiert. Weiterhin veräußerte die Regierung viele ihrer staatlichen Monopole sowie Unternehmen und gestaltete den Rest gewinnorientiert. Frei nach dem Motto: Ein bißchen Sparen muß sein, wurden soziale Leistungen radikal gekürzt, Subventionen zusammengestrichen und Staatsdiener vielfach entlassen. Dieses Reformpaket enthielt aber auch umfassende Steuererleichterungen für Unternehmen und private Haushalte.

Diese und andere Maßnahmen führten innerhalb weniger Jahre zu einer Halbierung der vorher zweistelligen Arbeitslosenzahl, zu einer absolut annehmbaren Inflationsrate sowie zu einem Haushaltsüberschuß, aus dem weitere Steuererleichterungen finanziert wurden.

Tja, Neuseeland hat es geschafft – und diese Maßnahmen könnten trotz der Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur (Neuseeland ist agrarlastig) unserer beiden Länder auch hier fruchten. Allerdings setzt dies das Verständnis der Bundesbürger für notwendige Radikalreformen voraus – ohne die Erwartung, daß wir innerhalb von einer Woche ein neues Wirtschaftswunder bekommen. Bis solche Maßnahmen greifen können, kommen jedoch oft Wahlen und Wahlkämpfe dazwischen, in denen sich Themen wie Sozialkürzungen naturgemäß nicht gut machen. Wer uns dabei helfen könnte, wären vielleicht auch Verantwortliche, denen das Wohl des Landes wichtiger ist als ihre Wiederwahl oder ihr Parteibuch und die keine Scheu haben, sich vielleicht auch mal unbeliebt zu machen, denn die Zeiten, wo man Wahlkämpfe durch Kindergelderhöhungen führen könnte, können wir uns nicht mehr leisten.

Als Jugendlicher würde ich zumindest leichter eine Krise ertragen, die vorübergehend entsteht, weil man etwas verändern will und wo ein Hoffnungsschimmer am Horizont zu sehen ist, als eine Krise, die entstanden ist, weil sich nichts ändert und man auch nichts ändern will. Denn das wäre das, was mich wirklich politikverdrossen macht.

Sven Zimmermann