Lichtstrahl im März

Nach einer größtenteils mißratenen Saison glauben Leverkusens Basketballer an ihre Meisterschaftschance  ■ Von Thomas Lötz

Leverkusen (taz) – „Nach dem Abgang zahlreicher Leistungsträger 1996“, so heißt es auf der Homepage der Basketballabteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen (http://www.bayer.com/sport/ frames/sd060000.htm) lakonisch, „befindet sich das Team im Neuaufbau.“ Was sich hinter diesem einfachen Aussagesatz tatsächlich verbirgt, ist die wohl schwerste Katastrophe, die den deutschen Rekordmeister im Basketball seit seiner Gründung in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ereilt hat. Nach dem Gewinn von 14 nationalen Meisterschaftstiteln, in den letzten sieben Jahren sogar ohne Unterbrechung, erlitt Bayer im Sommer des letzten Jahres eine massive, für jedes Profiteam im Prinzip nicht zu überstehende Eruption.

Mit Henning Harnisch, Chris Welp, Mike Koch und Chris Corchiani verließen nicht weniger als vier Spieler aus der Stammformation das Team. Zudem ging neben dem ersten Center (Welp) auch gleich dessen Back-Up Sascha Hupmann nach Berlin. Der einzige, der aus der damals besten Startformation der Basketball- Bundesliga übrig blieb, war Anthony „Tony“ Dawson.

Hinzu kamen Verletzungen von Dawson und des neuen US-amerikanischen Playmakers Kevin Pritchard, der, wenn er spielte, leistungsmäßig überdies weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Und so startete Bayer mit neuen Spielern, wie beispielsweise Center Tim Nees, schwerfällig in die Saison. Die Mannschaft fand überhaupt nicht ihren Rhythmus, verlor eine Reihe Spiele, die sie vor Jahresfrist noch locker eingesackt hätte. Doch das Erstaunliche war: Leverkusen brach nie völlig ein, hielt immer einen zwar distanzierten, aber doch eben gewissen Kontakt zur Spitze, an der ganz einsam und erhaben Alba Berlin von Sieg zu Sieg schritt. Am Ende der regulären Saison stand dann Platz vier zu Buche.

Im zweiten nationalen Wettbewerb, dem DBB-Pokal, schied Leverkusen bei TuS Herten in der vierten Runde aus (70:74). Nicht- Fachleuten muß erklärt werden, daß diese Runde die erste ist, in der sich Vereine aus der ersten Liga am Pokalgeschehen beteiligen. Und Herten ist nicht irgendeines dieser 1996/97 hochgeschossenen Teams wie Bonn, Rhöndorf oder auch Oberelchingen. Nein, der TuS Herten spielt gerade in der Relegation um sein Fortbleiben in der Bundesliga.

Absolutes Highlight des Leverkusener Absturzes aber war das Auftreten des amtierenden Meisters in der Europaliga. Obwohl in den Jahren zuvor die alte Wilhelm- Dopatka-Halle gerade bei Euro- Liga-Spielen mindestens gut gefüllt bis ausverkauft war – das, was die sogenannten „Riesen vom Rhein“ in dieser Saison zeigten, taten sich am Ende wirklich nur noch bedauernswerte Dauerkartenbesitzer und Masochisten an. Die Vorrunde beendete Bayer zielstrebig und sicher als Gruppenletzter – ohne einen einzigen Sieg. Und das in einer Gruppe, die auch nicht stärker war als in den Jahren zuvor, in denen Leverkusen immer erst recht knapp am Erreichen des Viertelfinales gescheitert war.

Es sah ganz düster aus in Leverkusen. Ganz düster bis zu diesem Sonntag Anfang März, an dem Alba Berlin zum, und da waren sich alle Experten einig, routinemäßigen Punktdiebstahl am zweitletzten Spieltag der regulären Saison in der Dopatka-Halle vorbeischaute. Bis dahin ungeschlagen, mußte Spitzenreiter Alba überraschend die erste Saisonniederlage einstecken. Das Team von Trainer Svetislav Pesic verlor mit 69:72 gegen eine kämpferisch und spielerisch starke Leverkusener Mannschaft, aus der vor allem Center Hansi Gnad mit nicht weniger als 16 Rebounds herausragte. Diese Schlappe – es folgten Alba-Niederlagen gegen Bonn und Barcelona – deutet Bayer-Trainer Dirk Bauermann als psychologischen Pluspunkt seiner Mannschaft im heute beginnenden Halbfinal-Playoff: „Wir haben denen gezeigt, daß wir sie schlagen können. Das wissen wir, aber das wissen auch die Berliner.“

Ohne Verletzungsprobleme reist Bayer zum heutigen ersten Spiel des Halbfinales in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle. Aber den Beteiligten ist klar, daß es alles andere als ein einfacher Gang werden wird. Kurz vor der Abreise erklärte Dirk Bauermann im Gespräch mit der taz: „Alba spielt zwar nicht so stark wie zu Saisonbeginn, ist jedoch der eindeutige Favorit.“ Der Bayer-Trainer geht davon aus, daß es im Modus „Best of five“ über vier oder fünf anstrengende Spiele gehen wird. „Meine Mannschaft ist heiß und zuversichtlich, daß sie ihre Außenseiterchance nutzen kann. Der Druck lastet auf Berlin.“