Schrott für den Osten

Jahrelang haben Nürnberger Entsorgungsfirmen giftige Abfälle in die neuen Länder verschoben  ■ Von Gudrun Giese

Nürnberg/Berlin (dpa/taz) – Rund 70.000 Tonnen zum Teil hochgiftiger Sondermüll wurden zwischen 1990 und 1994 aus dem Nürnberger Raum illegal in die neuen Bundesländer verschoben. Eine Sonderkommission der Nürnberger Kripo wird voraussichtlich noch bis Ende des Jahres gegen mehr als zwanzig Schrott- und Recyclingfirmen in und um Nürnberg ermitteln.

Der Umfang des angerichteten Schadens läßt sich derzeit nicht exakt beziffern. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nennt die Kripo im Moment auch noch keine Firmennamen. Fest steht allerdings, daß die Unternehmen mit ihrer fortgesetzten illegalen Müllentsorgung rund zehn Millionen Mark Kosten gespart haben, die sie für eine ordnungsgemäße Deponierung hätten aufwenden müssen.

Bei dem verschobenen Abfall handelt es sich um die geschredderten Überbleibsel von Elektronikgeräten und Altautos. Nach Angaben der Polizei sind diese Müllkomponenten erheblich mit giftigen Schwermetallen und krebserregenden polychlorierten Biphenylen (PCB) belastet. Bei den kriminellen Machenschaften seien „nicht wiedergutzumachende Umweltschäden“ entstanden, hieß es bei der Kripo.

Wohin der Schreddermüll gebracht worden ist, war am Donnerstag nicht zu erfahren. Am stärksten betroffen sein sollen Hausmülldeponien in Sachsen und Sachsen-Anhalt. In den dortigen Umweltministerien sind die in Frage kommenden Deponien derzeit nicht bekannt. Akute Gefahr für die Gesundheit von Anwohnern oder für das Trinkwasser soll allerdings nach Angaben der Kripo nirgends bestehen.

Die Abfallentsorger aus Mittelfranken hatten sich Anfang der neunziger Jahre die besondere Situation nach der Vereinigung von Bundesrepublik und DDR zunutze gemacht. In den neuen Ländern herrschte in Sachen Müllentsorgung Rechtsunsicherheit; zugleich war die ordnungsgemäße Entsorgung von Sondermüll durch eine Verschärfung des Abfallrechts erheblich teurer geworden. Die Firmen deklarierten damals ihre giftigen Rückstände zumeist als „Wirtschaftsgut“, und wurden sie so bei Hausmülldeponien in den Ost-Ländern los. Zum Teil soll es nach Erkenntnissen der Nürnberger Kripo aber auch Bestechungen gegeben haben.

In einem Fall hatte der Betreiber einer Schredderanlage allerdings seine eigenen Beschäftigten gefährdet: Er hatte mehr als 1.000 Tonnen geschredderten Abfall auf dem Werksgelände vergraben.

Firmen wie „Dorner Schrott“ und „Kersche“, die in und um Nürnberg Elektronik- und Autoschrott weiterverarbeiten, waren gestern zu keinerlei Stellungnahmen bereit. Der „Schrott-Recycling-Entsorgungsverband“ (DSV) in Köln allerdings zog vorbeugend das Ausmaß des Umweltskandals in Zweifel. Anders die Nürnberger Kripo: Sie geht davon aus, daß auch in anderen Teilen der Bundesrepublik Sondermüll ähnlich entsorgt worden ist.