Sachsens Kirche duldet Kirchenbesetzung

■ Seit dem Wochenende halten zwölf Kurden die Grimmaer Frauenkirche besetzt

Grimma (taz) – Pfarrerin Dorothee Fleischhack huscht durch das Portal der Frauenkirche und verriegelt eilig hinter sich die Tür. Den Männern draußen bleibt kaum mehr als ein Augenblick, denen drinnen zuzulächeln. Zwei Stunden später öffnet sich wieder die eisenbeschlagene Pforte; die junge Frau und ein Dolmetscher treten heraus aus dem Kirchendunkel; der Schlüssel dreht sich im Schloß. Auf die fragenden Blicke der Männer schüttelt die Pfarrerin nur den Kopf: kein Ergebnis. Der Hungerstreik wird fortgesetzt.

Zwölf Kurden aus dem nahen Flüchtlingsheim Bahren hungern seit Sonntag in dieser Kirche der sächsischen Kleinstadt Grimma. Sie protestieren gegen eine Polizeiaktion und gegen die vermeintliche Auflösung ihres Heimes und die Verlegung der Bewohner auf andere Flüchtlingsunterkünfte. 230 Beamte des Landes- und Bundeskriminalamtes hatten vor zwei Wochen das Heim in Bahren gestürmt und, so die Mitteilung von LKA und Staatsanwaltschaft, ein „Ausbildungs- und Schulungszentrum der PKK“ ausgehoben. In Bahren soll auf Versammlungen PKK-Propaganda betrieben worden sein. Ein „Ordnungskomitee“ habe Spendengelder für die verbotene Kurdische Arbeiterpartei eingetrieben. 20 Bewohner wurden vorläufig festgenommen, gegen acht ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und Nötigung.

Mit dem Hungerstreik in der Kirche protestieren die Männer nun gegen die „Kriminalisierung als PKK-Terroristen“. So erklären es die Kurden draußen vor dem Tor. Den Streikenden drinnen bleibt Öffentlichkeit verwehrt, nachdem der Kirchenvorstand beschlossen hat, seine Räume den Kurden nicht als Podium zur Verfügung zu stellen. Zwar gestand er den Streikenden Gastrecht zu. Ihre Protestaktion aber wertete er als überzogen. Pfarrer Christian Behr legt Wert darauf, diesen Unterschied festzustellen: „Wir unterstützen diese Aktion nicht, und zwar auch deshalb, weil wir das Kirchenasyl bewahren wollen.“ Den Kurden wirft er vor, das Kirchenasyl zu mißbrauchen: „Die hier vertretenen Forderungen sind mit der Dimension dieser Aktion nicht zu vereinbaren.“

Schwerwiegende Vorwürfe gegen die deutschen Behörden erheben die Kurden, die seit Sonntag auf dem Kirchplatz nur darauf warten können, daß irgend etwas passiert. Die Razzia sei „eine Geste gegenüber der türkischen Regierung“. Den an der Durchsuchung beteiligten Dolmetscher verdächtigen sie, für den türkischen Geheimdienst zu arbeiten. Das im Heim gesammelte Geld sei nicht für die PKK bestimmt gewesen, sondern für einen Notfonds des von Kurden bewohnten Heimes: „Davon sollten, wenn nötig, Anwälte bezahlt werden.“ In der Öffentlichkeit sei verbreitet worden, die Polizei habe „mehrere tausend Mark Bargeld“ beschlagnahmt: „3.000 Mark waren es, nicht viel bei 114 Heimbewohnern“, rechnet ein Kurde vor.

Das Innenministerium und das Leipziger Regierungspräsidium halten sich aus dem Konflikt heraus. Beide verweisen auf das Hausrecht der Kirche. Die aber möchte, so Superintendent Christoph Richter, „vorläufig keinen Gebrauch davon machen“. Detlef Krell