Vergewaltigung im Bordell

■ Sexuelle Gewalt vor Gericht: Fünf Männer sollen russische Prostituierte überfallen und brutal vergewaltigt haben

Kaum hat Natascha den Saal verlassen, da pöbelt die Verteidigung auch schon los: „Es wird der Verwertung ihrer Angaben widersprochen.“Illegal sei die Russin in Hamburg, faucht Rechtsanwalt Ladislaw Anisic ins Mikrofon, wer selbst „ein Straftäter“sei, so seine Folgerung, dem könne man nicht glauben. Hinfortgewischt werden sollen damit die Beschuldigungen, die die junge Russin zuvor gegen fünf Angeklagte zu Protokoll gegeben hatte. Dabei geht es um Straftaten von ganz anderem Kaliber als einem Verstoß gegen das Ausländerrecht: Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und schweren Raub wirft Natascha W. übereinstimmend mit der Anklage den fünf Russen im Alter zwischen 25 und 32 Jahren vor.

„Sie kamen zu fünft, um schon durch ihr Auftreten jeden Widerstand zu brechen“, ist Staatsanwalt Ronald Giesch-Rahls überzeugt. Die Männer hätten verabredet, russische Prostituierte in ihren Bordellwohnungen in Altona und Harburg zu überfallen. Vier Frauen sollen im November und Dezember 1996 ihre Opfer geworden sein.

Richter, Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagte: Alles Männer. Als müßte sie sich als einzige Frau davor bewahren, im Meer schwarzer Roben unterzugehen, setzt Natascha W. am Freitag mit ihrem knallorangenen Pullover einen grellen Farbakzent in dem trüben Saal 138 des Hamburgischen Landgerichtes. Selbstbewußt sitzt sie im ZeugInnenstand, ihre fünf mutmaßlichen Peiniger im Rücken. Laut und mit fester Stimme erzählt sie, was ihr an jenem Dezembertag widerfuhr; wie sie den einen Russen oral befriedigen mußte, von einem anderen vergewaltigt wurde. Wie ihr und der Freundin gedroht wurde, man werde sie „an die Türken“verkaufen, wenn sie nicht das rausrückten, was die Männer außerdem noch wollten: ihr Geld.

Seit der Prozeßeröffnung am Mittwoch verfolgen die Verteidiger die Strategie, die Männer zu entlasten, indem sie die vergewaltigten Frauen als „kriminell“stigmatisieren – und damit illegalisierte Frauen als Freiwild freigeben. Schon vor der Aussage der ersten Zeugin beantragte Anwalt Anisic bereits, deren Ausländerakte beizuziehen. Als sie ihre Erlebnisse geschildert hatte, kam nicht eine Nachfrage zur Sache, um so mehr dafür zu ihrem Aufenthaltsstatus. Der Prozeß wird fortgesetzt. Elke Spanner