Wertewandel beim Urin

Bekiffte Fahrer gelten als unzuverlässig, Urintests auch
■ Von Matthias Fink

Wegen geringer Mengen zum Eigenverbrauch gehen zwar mehr KifferInnen als früher straflos aus. Aber mancheR möchte gar nicht gehen, sondern fahren. Und da könnte es in Zukunft noch enger werden. Schon lange gehört zu den staatlichen Sanktionen der Entzug des Führerscheins. Wer sich verdächtig macht, kriegt schnell die Vorladung zur MPU, zur medizinisch-psychologischen Untersuchung. Geldstrafen gibt es bisher meist nicht, denn dafür gibt es oft keine Rechtsgrundlage. Lediglich wer ganz und gar fahruntüchtig ist, kann wegen Verstoßes gegen Paragraph 316 des Strafgesetzbuchs verknackt werden. Schneller schlägt das Gesetz bei Alkohol zu. Bekanntlich gibt es die Promillegrenze von 0,8, ab der grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit vorliegt.

Da fragt sich der brave Bürger doch, wieso das Fahren unter verbotenen Einflüssen nicht auch ordnungswidrig ist. Nicht mehr lange, wenn es nach der Bonner Koalition geht. Eine Novelle zum Straßenverkehrsgesetz soll es grundsätzlich ermöglichen, daß Fahren unter Einwirkung von Cannabis als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. Das Bundesverkehrsministerium hat das noch nicht verabschiedete Gesetz in den Bundestag eingebracht. Nicht nur Cannabis, sondern auch Heroin, Kokain und Morphin gehören zu den Substanzen, die – im Blut gestoppter FahrerInnen nachgewiesen – den Tatbestand ausmachen, mit dem das Ordnungsgeld fällig wird. Für Gesetzestreue soll es aber eine Ausnahme geben. Stammt „die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels“, kommt die Ordnungswidrigkeit nicht in Betracht. Der Bundesrat fand diese Extrawurst bei seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren nicht so einleuchtend. Hängt die Gefahr für den Straßenverkehr etwa davon ab, warum der Mensch hinterm Steuer berauscht ist?

Gerade diese Regelung stößt auch aus der Windschutzscheiben- Perspektive konservativer Autofahrer auf Kritik, etwa in der Fachzeitschrift DAR (Deutsches Autorecht). Die Hefte werden immerhin vom ADAC herausgegeben, nicht gerade für unionsfeindliche Ansichten bekannt. Die DAR-AutorInnen Sabine Riemenschneider und Harald Paetzold äußern (im Februarheft) grundsätzliche Sympathie für die Verschärfung: „Die bisher für die Erfassung von drogen- oder medikamentenbeeinflußten Kraftfahrern bestehenden Sanktionsmöglichkeiten werden überwiegend als unzureichend empfunden.“ Aber leider vermag die Fachwelt die Volksmehrheit nicht so ganz zu bedienen. Die „an die medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung gerichtete Erwartung, gesicherte Erkenntnisse über Dosis-Wirkung-Beziehungen nach der Einnahme von Drogen und Medikamenten zu erarbeiten und damit die Grundlage für die Rechtsprechung zu schaffen, Grenzwerte der absoluten Fahrunsicherheit festzulegen, wird auf absehbare Zeit unerfüllt bleiben“. Auch die Nachweisverfahren seien bisher noch zu unterschiedlich, um die DrogensünderInnen einheitlich und damit gerecht zu strafen. „Die Neuregelung sollte daher nicht in Kraft gesetzt werden“, so fordern sie, bis die vom Verkehrsministerium gestarteten Versuchsreihen erst mal „zu einheitlichen Untersuchungsverfahren geführt haben“.

Wenn es die gäbe, würde es wohl ernst. Bei den heutigen Untersuchungen, die vor allem für Führerscheinentziehungen dienen, wird noch oft geschummelt. Zuerst wird meistens der Urin untersucht. Wie lange in diesem noch Rückstände aus berauschten Zeiten zu finden sind, hängt von vielen Faktoren ab. In dem Büchlein „Mein Urin gehört mir“, von Ronald Rippchen herausgegeben, läßt es sich ausführlich nachlesen. Alter, Geschlecht, aber auch Schweißbildung spielen eine Rolle. Vor allem hängt der Testbefund davon ab, wieviel man getrunken hat. So schreibt Ronald Rippchen, er habe bereits nach 14 Tagen Abstinenz nichts Nachweisbares mehr im Urin gefunden. Jeden Tag hatte er drei bis vier Liter Flüssigkeit getrunken. Folgerung: „Die oft angegebene Feststellbarkeit bis zu vier bis sechs Wochen scheint sich doch eher auf starke Bongraucher oder Shitesser zu beziehen.“

Aber vielleicht geht es ja auch ganz schnell. Bei der Firma Germadot in Nürnberg sind etwa die Produkte der Firma Zydot zu beziehen, die in den USA den Urinreiniger „Ultimate Blend“ vertreibt. „Entgegen einigen polemischen Kommentaren“ funktioniere der „bei den meisten Menschen einwandfrei“, wenn man sich an die Anleitung halte, erfuhren die Leser im Märzheft der Fachzeitschrift Hanf. „Die einzigartige Zutatenkombination deckt den Bedarf Ihrer Kunden für vier bis fünf Stunden“, heißt es sibyllinisch in der Werbung von Germadot für das neue Produkt „Zydot Euro Blend“.