: Vom Indoor-Wurm
Die hauseigene Kompostierung von Bioabfällen kann in einer Wurmkiste vollzogen werden ■ Von Katrin Dreßler
„Gott allein weiß, wie guter Boden gemacht wird. Er hat es den Regenwürmern verraten“, sagt ein französisches Sprichwort. Aber nicht nur der Regenwurm, auch auch ein Verwandter von ihm vermag das zu vollbringen. Die Rede ist vom Kompostwurm, lateinisch: Eiseni foetida. Er verwandelt, wenn man ihn regelmäßig füttert, Küchenabfälle in guten Boden – direkt bei uns zu Hause in einer Wurmkiste. Innerhalb weniger Wochen bereiten diese Bodentiere aus organischen Abfällen Humus. Er ist ein Grundbestandteil des Bodens und enthält mehr Nährstoffe als die industriell hergestellten Düngesalze. So ist es durch die hauseigene Kompostierung in einer Wurmkiste möglich, Primärprodukte wie Torf oder mineralische Düngemittel zu ersetzen. Das ist von doppelter Bedeutung: Einmal schont das die Moorgebiete, die durch den Torfabbau zerstört werden. Zum anderen verändert mineralischer Dünger, wenn er ausschließlich verwendet wird, die natürliche Stoffzusammensetzung des Bodens. Der Humusgehalt wird vermindert, und die Bodenstruktur verschlechtert. Zudem läßt sich der Hausmüll in den Abfalltonnen deutlich reduzieren. Rund 25 Prozent von ihm nehmen organische Küchenabflle ein.
Das Ganze ist einfach. Die Investition: eine Kiste von handlicher Größe aus Holz oder Kunststoff (Richtmaß etwa 60x40x40 Zentimeter, in Baumärkten erhältlich) und Kompostwürmer (siehe Gelbe Seiten: „Regenwurmzuchten“). Aus ein paar unbehandelten Brettern läßt sich das Behältnis auch leicht selbst herstellen. Beim Bauen ist darauf zu achten, daß keine Lücken zwischen den Brettern bleiben, sonst entweichen die Würmer. Die Kiste sollte einen lose sitzenden Deckel haben und auf Füßen stehen, um den Luftzutritt zu gewährleisten. Ist das Behältnis im Inneren noch geteilt, kann der Inhalt der einen Hälfte, wenn sie voll ist, noch einige Zeit ausreifen, während die andere weiter aufgefüllt wird.
„In Berliner Kindergärten, privaten Haushalten und Schulen erfreuen sich diese Wurmkisten seit einigen Jahren immer größerer Beliebtheit.“ Diese Erfahrung hat Eva Kulla, Mitarbeiterin im Berliner Kinder- und Freizeitzentrum Wuhlheide (FEZ), in ihrer sozialpädagogischen Fortbildung in den letzten Jahren gemacht. „Das Prinzip der Minikompostierung“, erklärt sie, „wurde in einem umweltpädagogischen Programm interessierten Erzieherinnen vermittelt. Wir erläuterten den Kindern und Erziehern den Bau einer Wurmkiste und die Betreuung und Weiterverwendung des gewonnenen Komposts.“
Eine Wurmkiste sollte ungefähr 500 Tiere enthalten. Angefangen wird die Beschickung der Kiste mit einer Zeitungslage, die mit einer Gartenerdeschicht und den Würmern bedeckt wird. Darauf können nun täglich kompostierbare Küchenabfälle gestreut werden. Die Kompostwürmer lieben Obst- und Gemüsereste, Kartoffel- und Zwiebelschalen, Rückstände aus Kaffee- und Teefiltern, zerkleinerte Eierschalen, Haare, welke Blumen und verdorbene Milch- und Joghurtreste. Auch das fettige Papier vom Auswischen der Pfanne kann in der Wurmkiste entsorgt werden. Ungeeignet dagegen sind Brotreste, gekochte Essensreste und die Schalen von Zitrusfrüchten.
Der Gedanke, Abfälle zusammen mit den Würmern in einer Kiste zu sammeln, läßt manchen die Nase rümpfen. Ein richtig angelegter Kompost riecht jedoch nicht. Jede Geruchsbelästigung weist auf einen Fehler in der Wartung der Wurmkiste hin. Entweder reicht die Belüftung nicht aus, oder der Inhalt ist zu feucht und beginnt zu faulen. Da kann man Abhilfe schaffen, indem der Inhalt aufgelockert wird. Reicht das nicht aus, muß neu umgeschichtet werden. Die Feuchtigkeit kann mit Gartenerde, Muschelkalk oder Steinmehl gebunden werden. Nicht immer gelingt die richtige Mischung von Anfang an. Aber da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Auch Nußschalen oder Hobelspäne können als zellulosehaltige Bestandteile die richtigen Verhältnisse wiederherstellen. Wenn man auf Urlaub fährt, kann die Kiste mit einer Plastikfolie bedeckt, gut einige Wochen ohne Futterzusatz auskommen.
In Berlin rührt Hans-Gerhard Starck, der sich als Agraringenieur auf Bodenkunde spezialisiert hat, die Werbetrommel für die Wurmkiste. Der „Wurmvater“ betont, daß die Kompostwürmer nur futtergebunden arbeiten und durch ihre Erdbohrungen wahre Netzwerke schaffen. „So gelangt ausreichend Sauerstoff in das Rottematerial, und in der Kiste entsteht nur Waldbodengeruch.“
Nach ungefähr zwei bis vier Monaten sind alle Küchenabfälle verwandelt. Am Ende des Umwandlungsprozesses müssen die Würmer aus der Kiste herausgelockt werden. Wenn kein Zweikammersystem vorhanden ist, gelingt das am besten, wenn direkt neben die fertige Humuskiste ein zweites Behältnis mit frischen Küchenabfällen gestellt wird. Der Geruch des neuen Abfalls zieht die Würmer dorthin. Restliche Tiere können beim Sieben des fertigen Humus aufgesammelt werden. Die Menge des Wurmkomposts beträgt 15 Prozent von der ursprünglichen Abfallmenge und ist dreimal so nährstoffreich wie normaler Gartenkompost, bei dem die Mengenreduktion nur ungefähr 50 Prozent beträgt. Das fertige Produkt sind jene kleinen Kügelchen, die aus organischen Abfällen und den Lehmbestandteilen der Erde den Ton-Humus-Komplex bilden. Der Dünger wird mit Gartenerde im Verhältnis eins zu drei gemischt. Mit Wurmhumus behandelte Pflanzen werden schnell resistent gegen Krankheiten. Er schützt sie beispielsweise vor Blattläusen durch die in ihm enthaltene Kieselsäure. Wenn es kalt wird und sich der erste Frost ankündigt, muß die Wurmkiste – wenn sie einen Balkonplatz hatte – ins Haus ziehen. Minusgrade vertragen diese Bodentiere nicht.
Beratung und Bauanleitung sowie Abgabe von Würmern nach telefonischer Absprache mit H.-G. Starck, Telefon (030) 213 71 42
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